Boersen-Zeitung: Bestrafte Sparer
Archivmeldung vom 20.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Politik der großen Steuererhöhungskoalition hat etwas von Realsatire. Nur können Wirtschaft und Bürger längst nicht mehr darüber lachen. Die Betroffenen haben von den Berliner Absurditäten inzwischen derart die Nase voll, dass es nicht einmal mehr zum wahrnehmbaren Protest reicht. Und die parlamentarische Opposition scheint kaltgestellt zu sein.
Ein erschreckendes Beispiel dafür, wie Politik ins Groteske und
Paradoxe abgleitet, ist die schleichende Abschaffung des
Sparerfreibetrages. Nach dem Willen von Schwarz-Rot sollen
Zinserträge künftig nur noch bis zu 750 bzw. 1500 Euro
(Ledige/Verheiratete) pro Jahr vom Zugriff des Fiskus verschont
bleiben. So sieht es das am Freitag im Bundestag beratene
Steueränderungsgesetz 2007 vor. Grotesk und paradox ist das, weil der
Gesetzgeber damit seine eigenen - in diesem Fall vernünftigen -
Absichten hintertreibt. Zur Erinnerung: Mit dem 1993 in Kraft
getretenen Zinsabschlaggesetz war der Sparerfreibetrag auf 6000 DM
für Alleinstehende respektive 12000 DM für Ehepaare verzehnfacht
worden (plus Werbungskosten). Die Ideen dahinter, die durch
zwischenzeitliche Regierungswechsel und veränderte
Mehrheitsverhältnisse nicht falsch geworden sind und bis heute ja
auch von keiner etablierten Partei grundsätzlich in Frage gestellt
werden: Im Interesse der Altersvorsorge und sonstiger
Existenzsicherung sollte die Kapitalbildung stimuliert und dabei auch
ein Ausgleich für die Geldentwertung geschaffen werden. Ferner galt
es, gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts effektive
Anreize gegen Vermögensverlagerungen ins Ausland zu setzen und
Defizite im Steuervollzug zu beseitigen. Mit Blick auf die
Inflationsanfälligkeit von Kapitalvermögen und Einkünften daraus hat
das höchste deutsche Gericht "beachtliche Freibeträge" sogar als
geboten erachtet.
Doch mit den Freibeträgen sind über die Jahre auch diese
Grundsätze ausradiert worden. Opfer der aktuellen Kürzungsrunde
werden nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler 2,6 Millionen
Sparer sein. Bestraft werden vor allem diejenigen, die aus schon
versteuertem Einkommen Kapital für ihre Altersvorsorge ansparen, um
so Versorgungslücken zu stopfen, die bei der gesetzlichen Rente
aufgerissen werden. Diesem persönlich notwendigen und
volkswirtschaftlich sinnvollen Verhalten spricht die Politik der
großen Koalition Hohn.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung