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Vorsicht, Bumerang!

Archivmeldung vom 29.04.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.04.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Selten waren offene Weltmärkte so wichtig wie in der Coronakrise. Das mag im ersten Moment widersinnig klingen, hat doch das weitgehend hemmungs- und grenzenlose Reisen die Ausbreitung der Pandemie entscheidend begünstigt. Doch inzwischen sind wir in einer Phase, in der es auf zuverlässige Lieferketten ankommt - gerade im medizinischen Bereich.

Beispiel Beatmungsgeräte: Diese werden zwar überwiegend in den großen Industrieländern gefertigt, viele Bauteile aber kommen aus den unterschiedlichsten Ecken der Welt. Das Netzwerk an Zulieferern ist ähnlich komplex wie die Produktion an sich. Überall in der Welt forschen Wissenschaftler mit Hochdruck an Medikamenten gegen Corona und einem Impfstoff, mit dessen Hilfe allein die Pandemie dauerhaft unter Kontrolle zu bringen ist. Die Spezialisten können das nur tun, wenn sie dafür entsprechende Schutzausrüstung zur Verfügung haben.

Leider sind reflexhafte Restriktionen für die Ausfuhr vermeintlich knapper Güter so ansteckend wie das Virus selbst. Auch die EU-Kommission hat Mitte März zu diesem Mittel gegriffen, um die untereinander konkurrierenden Mitgliedstaaten auf Linie zu bringen. Ein Teil der Exportbeschränkungen für Schutzausrüstung wie Masken, Brillen und Anzüge bleibt für weitere vier Wochen in Kraft. Zumindest nimmt die EU-Kommission die Mitgliedstaaten in die Pflicht, aus humanitären Gründen Ausnahmen zu genehmigen. Doch mittelfristig steht in dieser Pandemie eben mehr auf dem Spiel als Solidarität. Zumal Exportverbote wie ein Bumerang wirken, wenn Handelspartner dem Beispiel folgen. Mehr als 80 neue Exportbarrieren im Zuge der Pandemie zählt die Welthandelsorganisation bereits.

Dass es auch anders geht, hat die EU-Kommission Anfang April bewiesen. Da hat sie kurzerhand Zölle und Mehrwertsteuer auf den Import medizinischer Ausrüstung gestrichen. Gewiss war das ein durchsichtiges Manöver, um Ärzte und Pfleger mit dem Nötigen auszustatten - insbesondere unter dem Eindruck, dass man es versäumt hatte, einen Notvorrat an Ausrüstung für eine Gesundheits- oder Naturkatastrophe diesen Ausmaßes anzulegen. Falsch war der Entschluss damit aber nicht. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte: "In dieser Notlage ist es von entscheidender Bedeutung, dass medizinische Ausrüstung und Geräte rasch dorthin gelangen, wo sie gebraucht werden." Diesen Vorsatz sollten die Entscheidungsträger in den Hauptstädten auch dann beherzigen, wenn es um den Erhalt lebenswichtiger Wertschöpfungsketten geht.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Stefan Reccius

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