Westfalen-Blatt: zum Abzug der britischen Streitkräfte
Archivmeldung vom 08.12.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin Megaproblem für Kommunen, Handwerk und Beschäftigte rund um die Senne, eine Riesenchance für Ostwestfalen-Lippe: Falls sie 2010 die Wahlen gewinnen, wollen die britischen Konservativen alle 25 000 Soldaten aus Deutschland abziehen. Im Großraum Paderborn würde das den Verlust von mehr als 1000 Arbeitsplätzen, millionenschweren Aufträgen an die heimische Wirtschaft und sinkende Immobilienpreise bedeuten.
Sennelager, Schloß Neuhaus, Bad Lippspringe und Schlangen ohne Briten, das ist wie Bochum ohne Opel und Nokia. Aber so schnell schießen die Engländer nicht. Noch wird investiert. Neben Kasernen und Simulationsanlagen wird gerade ein zentrales Gerichtswesen am Sennerand aufgebaut. Kapazitäten aus Rheindahlen entstehen gerade neu zwischen Paderborn und Bielefeld. Schatten-Verteidigungsminister Liam Fox hat mit einem Interview im »Daily Telegraph« die jüngste Debatte ausgelöst. Aber sie ist mehr als das Getöse eines Wahlkämpfers. Dahinter steckt ein lang gehegter Plan der Konservativen, die einen vollständigen Truppenabzug bislang für das Jahr 2035 anpeilten. Kurzum: Der mögliche Abzug könnte auch früher kommen als in 25 Jahren, aber er vollzieht sich nicht über Nacht. Und das ist die Chance, die auf deutscher Seite genutzt werden sollte. Wann auch immer der Tag X kommt, an ihm würde automatisch ein Landtagsbeschluss aus dem Jahr 1991 wirksam. Damals entschieden alle Parteien, auch die heute regierende CDU, auf Antrag des Bielefelder Grünen Michael Vesper, in der Senne einen Nationalpark zu errichten, sobald die militärische Nutzung endet. Ein noch so gigantisches Naturschutzprojekt kann nicht eins zu eins ersetzen, was vorher an Wirtschaftskraft verloren geht. Das ist leider wahr. Aber es gibt inzwischen Erfahrung mit Konversion, dem Umwandeln militärischer Hinterlassenschaften in strukturpolitisch Wirksames. Bielefeld und Detmold wissen, dass sich ehemalige Kasernen wunderbar als Hochschulen, Behörden oder Sozialzentren nutzen lassen. Steuergelder hat es nach dem Ende des Kalten Krieges stets auch im Westen gegeben, als US-Soldaten, Belgier und Franzosen aus Westerwald, Hunsrück und Eifel abgezogen wurden. Selbst ein Nationalpark schafft Beschäftigung, braucht Besucherzentren, einen ziemlich langen Zaun - über den es noch Diskussionen geben dürfte - und hat reichlich Planungsbedarf. Mehr noch. Weder Opel noch Nokia suchen Standorte in OWL. Wenn die Senne überhaupt einen besonderen Wert darstellt, dann als Nationalpark. Eine einzigartige Vielfalt an Lebensräumen, mehr als 5000 Pflanzen und Tierarten, von denen 500 auf der »Roten Liste« stehen und die große unzerschnittene Weite am Fuße des Teutoburger Waldes sind ein einzigartiges Naturerbe, auf dessen Übernahme sich die Region behutsam und weitsichtig vorbereiten sollte.
Quelle: Westfalen-Blatt