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Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert zum Thema Rentner

Archivmeldung vom 14.04.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Soso, jetzt wollen die gierigen Rentner also ihre wachsende Zahl gnadenlos ausnutzen und gönnen den Nachkommen die Butter auf dem Brot nicht mehr? Wirklich?

Nein, das ist natürlich Unfug! Oma und Opa haben ihre Enkel auch weiterhin gern, und viele bringen das mit liebevoller und auch finanzieller Zuwendung täglich zum Ausdruck. Nur unser Rentensystem ist ein Auslaufmodell, nicht der Zusammenhalt der Generationen. Aber darf man deswegen erleichtert sein? Nein, denn das Rentenproblem wird uns noch mehr abverlangen, als wir bisher schon geben. Uns allen. Auch den Älteren. Roman Herzog hat mit vielem, was er sagt, Recht. Vor allem, wenn er das Schielen der Parteistrategen auf Wähler im Seniorenalter kritisiert. Aber in einem Punkt bildet der Altbundespräsident nicht die Wirklichkeit ab: wenn er davon spricht, dass die Älteren die Jüngeren »ausplündern«. Plünderer handeln vorsätzlich und in Kenntnis ihrer Macht über die schwachen Anderen. Doch solches Wissen kann man angesichts jahrzehntelanger Desinformation über den Zustand unseres Rentensystems kaum jemandem unterstellen. Beim Bürger musste ankommen, die Rentenkasse sei eine Art Bank, der man sein Geld für einen Sparvertrag zur Verfügung stellt. Doch diese Bank hat es nie gegeben. Immer haben die Politiker entschieden, wie viel sie den Rentnern geben wollten. Und das war immer so viel, wie sie den Jungen abnehmen konnten, ohne dass die aufgeschrieen haben. Dass nun ein 74-jähriger Altbundespräsident aufschreien muss, zeigt, wie schlecht die Interessen der kommenden Generationen in diesem Land vertreten werden. Eine gesetzliche Verpflichtung zu nachhaltiger Vorbereitung auf die Zukunft gibt es leider nicht. Und viele jüngere Abgeordnete lassen sich schnell entmutigen. Damit tut der Nachwuchs es jedoch nur den Etablierten gleich. Denn das Überbordwerfen sinnvoller Konzepte, sobald Gegenwind naht, ist zur Regel geworden. Ein Grund könnte der abhanden gekommene Glaube an die eigene Vermittlungsfähigkeit sein. Beispiele gibt es genug: Von Kirchhofs Steuervereinfachung redet Angela Merkel öffentlich nicht mehr, viele SPD-Mitgestalter der Agenda 2010 würden diese gern wem anders in die Schuhe schieben, und in der CSU mag man aufs bayrische Rauchverbot nicht mehr angesprochen werden. Am Ball bleiben ist jedoch das einzige, was ein Riesenproblem wie die Rentenfrage lösen kann. Dazu gehört, dass wir endlich ausreichend Kinderbetreuungsmöglichkeiten schaffen, damit mehr Frauen arbeiten gehen und so für später vorsorgen können. Und dazu gehört, dass die Altersdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt endet. Es genügt nicht, wenn die 30-Jährigen das Geld für die 70-Jährigen erwirtschaften. Die demografische Entwicklung macht es auch notwendig, dass die 60-Jährigen das Geld für die Hundertjährigen erarbeiten. In gelebter Solidarität unter den Generationen.

Quelle: Westfalen-Blatt

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