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Börsen-Zeitung: Hausse mit Tücken

Archivmeldung vom 23.02.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.02.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wenn die Märkte so weitermachen wie zurzeit, dann bestehen gute Chancen, dass 2008 als das Jahr der Rohstoffe in die Geschichte eingeht. Keine Asset-Klasse kann in diesem Turnus bislang mit Öl, Kupfer, Soja&Co. mithalten. In diesen Tagen verstärkt sich der Auftrieb der Rohwaren auf spektakuläre Weise.

Unter Führung von Platin und Gold stellen die Edelmetalle einen Rekord nach dem anderen auf. Für noch mehr Aufsehen sorgt allerdings der Ölpreis, dem vor dem Hintergrund der erlahmenden US-Wirtschaft eine fortgesetzte Schwächephase, bestenfalls aber Stagnation prophezeit worden war. Zur Überraschung der Fachleute hat sich das schwarze Gold mit Macht zurückgemeldet und ein weiteres Mal die Schwelle von 100 Dollar geknackt. Gäbe es da nicht Spielverderber, die ausgerechnet haben, dass Öl 1864 schon einmal teurer war, könnte ein Rekord gefeiert werden.

Die Rohstoff-Hausse läuft auf allen Zylindern. Auch die ebenfalls zyklischen Einflüssen ausgesetzten Industriemetalle überraschen mit wieder ansteigenden Preisen. Ungebrochen ist darüber hinaus der kräftige Auftrieb bei den Agrarrohstoffen unter Führung von Weizen und Soja.

Wohl dem, der auf Rohwaren gesetzt hat. Gemessen am CRB-Index sprangen seit Jahresbeginn 11% heraus. Der S&P GSCI-Index erbrachte immerhin knapp 8%. Die globalen Aktienmärkte haben dagegen - gemessen am MSCI World - fast 9% an Wert verloren. Alle großen Segmente im Rohstoffbereich liegen im Plus. Selbst der GSCI-Energie-Index ist mit einem Ertrag von fast 5% wieder in der Pluszone. Die GSCI-Sammelindizes für Industriemetalle und Agrarrohstoffe haben 22% bzw. 16% eingefahren. Und die Aussichten scheinen gut, dass sich der Aufschwung noch fortsetzen wird.

Angebotsknappheiten treffen auf eine insbesondere in Asien sehr stark steigende Nachfrage. Hinzu kommt, dass sich zunehmend spekulative Marktakteure engagieren und Endinvestoren aus anderen Assets wie Aktien in Rohstoffe umschichten. Für den Weizen sagte dieser Tage Unicredit voraus, dass sich der Preis bis Ende 2009 nochmals um 50% verteuern wird.

So schön der Boom für die richtig Investierten auch sein mag, darf doch nicht übersehen werden, dass die Entwicklung ihre Schattenseiten hat. Das veranschaulicht eine weitere spektakuläre Meldung dieser Tage. Die führenden asiatischen Stahlhersteller haben sich zum Auftakt der Verhandlungen der Branche darauf eingelassen, dem brasilianischen Lieferanten Vale do Rio Doce ab April sagenhafte 65% mehr für Eisenerz zu zahlen. Es ist klar, dass diese Preiserhöhung angesichts der gleichfalls überbordenden Nachfrage nach Stahl umgehend an die Kunden weitergereicht und letzten Endes auch ihren Weg zum Endkonsumenten finden wird.

Kurzum: Als Kehrseite des Rohstoffbooms muss die Hoffnung begraben werden, dass die Abkühlung in den USA schon bald die Inflationsraten drücken wird. Das engt den Spielraum der Notenbanken ein, die Folgen der Kreditkrise durch Zinssenkungen zu bekämpfen. Bis vor kurzem war die Meinung weit verbreitet, dass die EZB in absehbarer Zeit aufgrund basisbedingt niedrigerer Jahresinflationsraten eine Zinssenkung wagen kann. Nun ist in Kommentaren von Volkswirten zu lesen, dass in diesem Jahr nicht mehr mit einer Zinssenkung der EZB gerechnet werden kann.

Das wird für den Aktienmarkt nicht ohne Folgen bleiben. Der Dax wird wahrscheinlich auch in nächster Zeit bestenfalls an der Schwelle von 7000 schnuppern dürfen. Deutlichere Avancen darüber hinaus dürften sich als kurzfristige Abenteuer erweisen. Nicht nur die Zinssenkungsfantasie weicht. Die teureren Rohstoffe werden auch den Druck auf die Gewinnschätzungen zusätzlich verstärken. Diese sind außerdem noch bei weitem zu zuversichtlich. Daher sind Abwärtsrevisionen bzw. Ergebnisenttäuschungen absehbar, die neben Enttäuschungen über den Zinsausblick als weiteres Risiko für die Aktienmärkte hinzu kommen. Nicht zu vergessen die im Finanzsystem schlummernden Risiken, die wahrscheinlich noch weitere Irritationen auslösen werden. Ob sich die jahrelange Rally fortsetzt und auch 2008 zu einem Jahr der Aktie werden kann, ist vor diesem Hintergrund mit einem dicken Fragezeichen zu versehen.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Christopher Kalbhenn.)

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