LVZ: Führungslos
Archivmeldung vom 18.11.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZwanzig Grad im November - wenn das Wetter mitspielt, lässt sich auch unverschämten Energiepreisen trotzen. Doch spielt das Wetter tatsächlich mit, wenn im Spätherbst Sonnenbrand-Gefahr besteht? Oder spielt es verrückt, wie 6000 Experten auf der gestern beendeten Weltklimakonferenz in Nairobi fanden?
Eine Fülle von abnormem Wetter
lässt darauf schließen, dass das globale Klima sich ändert.
Zunehmender Treibhauseffekt sprengt den Rahmen bisher bekannter
Wechselwirkungen zwischen Sonne, Ozeanen, Wolken und anderen
Komponenten. Dass der Mensch davon profitiert, ist die Ausnahme. In
der Mehrzahl bedrohen die Auswirkungen des Klimawandels seine
Lebensgrundlagen.
Angesichts dieser Dramatik ist das Ergebnis von Nairobi ernüchternd.
Angesichts der Erwartungen an die Konferenz kann es nicht
enttäuschen. Die Debatte war vorher schon festgefahren. Europa hat
zwar erkannt, dass weniger Kohlendioxid aus Schloten und Auspuffen
entweichen muss. Es tut aber immer noch zu wenig und zeigt mit
Fingern auf andere. Für Schwellenländer wie Indien, Brasilien und
China ist Klimaschutz ein Lippenbekenntnis. Die US-Regierung
verweigert sich ihm, weil er angeblich schädlich für die Wirtschaft
ist. Dass er vor allem schädlich für die Menschen ist, spüren
Afrikaner und Südsee-Insulaner täglich, deren Lebensgrundlagen durch
Dürren und Überflutungen zerstört werden. Ihre Länder weigern sich,
über den Schutz des Klimas zu verhandeln. Sie haben seinen Wandel ja
auch nicht nicht verschuldet, leiden aber unter ihm.
Obwohl sich die Erkenntnisse über die Mechanismen des Klimawandels
zur Gewissheit verdichten, obwohl saubere Technologien ein Renner
sind, tritt die politische Diskussion auf der Stelle. Der Klimawandel
verläuft viel schneller, als die Politik zu handeln in der Lage ist.
Und es fehlt jemand, der die Führungsrolle an sich reißt - ein
Kontinent, ein Land oder eine Persönlichkeit. Die Europäer sind zwar
am weitesten mit ihren Schutzmaßnahmen. Doch sie können sich
international nicht durchsetzen. Der weltweite Anstieg der
Erdtemperatur wird aber nur mit weltweit abgestimmten Maßnahmen
abzuschwächen sein. Dafür muss Europa die USA und China gewinnen. Der
kommende G8-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft ist eine gute
Gelegenheit dafür. Vielleicht kann Bundeskanzlerin Merkel den
US-Präsidenten Bush vom Klimaschutz überzeugen. Drastische Maßnahmen
wie eine C02-Steuer für Waren aus Ländern, die den Klimawandel
ignorieren, verhärten die Fronten dagegen nur weiter.
Wenigstens brachte Nairobi Fortschritte für die Anpassungsfonds, mit
denen armen Ländern geholfen werden soll, die Klimaschäden zu
bewältigen. Solch eine Anpassung an die Erderwärmung ist notwendig,
kann aber nicht der alleinige Weg bleiben. Einigt sich die Welt nicht
auf drastische und verbindliche Maßnahmen zur Reduzierung des
Kohlendioxids, erwärmt sich das Klima weiter ungebremst. Und dann
kommen am Ende des Jahrhunderts ganz andere Kosten auf uns zu, als
nur unverschämte Energiepreise.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung