Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Ende der Tour de France
Archivmeldung vom 30.07.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.07.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Tour ist zu Ende. Aber garantiert nicht am Ende. Denn der Streckenplan für 2008 steht schon auf dem neuen Etappen-Reißbrett. Jedoch: Wohin die Reise des Sp(r)itzensports nach dieser 94. Auflage des immerhin schon 104 Jahre alten Klassikers gehen wird, ist nicht so sicher.
Es waren viele dunkle Wege in diesen drei Wochen, die noch einmal
deutlich zeigten: Die wird bei der dopingverseuchten
Betrüger-Disziplin namens Radsport nie gelingen. Auch wenn die
Tour-Veranstalter sich jetzt in einem Schnellwaschgang vom
umstrittenen Radsport-Weltverband trennen wollen, blütenweiß wird das
Gelbe Hemd dadurch ganz sicher nicht.
Die einst so begehrte Trikot-Trophäe, sie wurde 2007 beschmutzt,
befleckt und immer tiefer in den Dreck gezogen. Dass Michael
Rasmussen »Gelb« überhaupt tragen durfte - ein Skandal. Schließlich
hatte der Däne mehrfach Kontrolltermine platzen lassen. Und dass
Alberto Contador jetzt als Sieger über die Ziellinie fuhr, ist auch
kein neuer Anfang. Der Spanier schleppt Altlasten mit, er stand in
der Kartei des berüchtigten Doping-Doktors Eufemiano Fuentes.
In Paris ließ er sich trotzdem bejubeln. Contador, der Name klingt
zwar wie Musik - aber auch ein verbotenes Präparat könnte so heißen.
Der Tour-Sieger 2007 passt in die lange Lügenliste der inzwischen
geschmähten Gewinner des vergangenen Jahrzehnts. Bjarne Riis, Jan
Ullrich, der verstorbene Marco Pantani, Lance Armstrong und Floyd
Landis: Betrüger auf zwei Rädern.
Die volle Wahrheit sollte endlich auf den Tisch. Späte
Teilgeständnisse, oft erst nach verjährten Vergehen abgeliefert,
reichen da schon lange nicht mehr. Zudem muss der Druck noch größer
werden. Von den internationalen und nationalen Verbänden, von den
Veranstaltern. Und in erster Linie von den Sponsoren, die ja schon
über Ausstiege nachdenken. Keinen Cent für foule Doping-Touren, diese
Sprache verstehen alle. Sofort. Garantiert.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat Beteiligte und Betroffene zum
Gipfel geladen. Redlich, redlich. Aber zu befürchten ist, dass dort
wieder nur geredet wird und es anschließend heißen könnte: WADA?
War da was?
Auch das Fernsehen, das die bunte Live-Bühne bietet, steht in der
Pflicht. ARD und ZDF haben nur bei der Tour de France abgeschaltet.
Ob sie in Zukunft nach ähnlichen Vorfällen, zum Beispiel bei den
Olympischen Spielen 2008 in Peking, ebenso konsequent reagieren, wird
man sehen.
Diese Spritz-Tour hat nicht nur die Rad-Branche noch einmal schwer
beschädigt, sie hat dem gesamten Spitzensport eine Gift-Injektion mit
Langzeitwirkung verabreicht. Auf jedem der 3569 Kilometer ging ein
Stück Glaubwürdigkeit verloren.
Und darum wird von nun an immer häufiger gefragt, wenn zum Beispiel
die Biathleten, Schwimmer, Leichtathleten oder Ski-Langläufer ihre
Siege feiern: Wer ist ehrlich? Wer lügt? Wer betrügt? Denn die
Winokurows, Morenis und die Sinkewitze, die gibt es überall.
Quelle: Pressemitteilung Westfalen-Blatt