Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Ägypten
Archivmeldung vom 12.09.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIsrael hat die arabische Revolte in Ägypten, Tunesien oder Syrien stets mit gemischten Gefühlen betrachtet. Die autoritären Herrscher in Syrien, Ägypten und Tunesien waren zwar keine wirklichen Freunde des jüdischen Staats, doch sie hatten sich relativ friedlich verhalten. Husni Mubarak (Ägypten) wurde zudem mit US-Geldern bestochen, um Israel anzuerkennen, das Assad-Regime (Syrien) hat die Golan-Frage nicht angerührt, und Israels Beziehung zur Türkei war gut.
Das System ist beschädigt. Israel sieht sich erneut von Feinden umgeben - in Ägypten, Syrien, dem Iran und selbst in der Türkei. Obwohl der »arabische Frühling« noch nicht vollendet ist, steht heute bereits fest, dass die Stellung Israels in der Region geschwächt wurde. Seit dem Niedergang der Mubarak-Regierung in Kairo grassieren anti-israelische Ressentiments in Ägypten. Denn der Hass auf Israel sitzt tief. Mubaraks »Freundschaft« mit den Israelis wurde als heuchlerisch entlarvt: Der ägyptische Diktator zeigte sich israelfreundlich, zugleich wiegelte er die Medien gegen Israel auf. Diese Hetze ist beim Volk angekommen: Es greift die israelische Botschaft an und provoziert eine Krise, die mit der Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979 vergleichbar ist. Hier zeigt sich, wie wenig Mubaraks israelfreundliche Politik von den Ägyptern verinnerlicht wurde. Auch die Beziehung zur Türkei steckt nun in der Krise: Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will im Streit um die türkische Gaza-Hilfsflotte den Internationalen Strafgerichtshof anrufen; außerdem hat er den israelischen Botschafter ausgewiesen und droht, Hilfsschiffe für den Gaza-Streifen unter den Schutz der türkischen Marine zu stellen. Die türkisch-israelische Krise ist zwar keine Folge des arabischen Frühlings, doch Erdogans anti-israelischer Kurs kommt in Ägypten oder Tunesien gut an. Vor der arabischen Revolte war Israels Position in der Region stabiler. Die türkische Außenpolitik wird immer selbstbewusster. Erdogan will die Türkei als regionale Führungsmacht profilieren und setzt Akzente in der arabischen Revolte - gegenüber Ägypten, Tunesien, Libyen und Syrien. So hat er jüngst mit dem syrischen Diktator Assad gebrochen. Da Erdogans Macht auf großen Wahlsiegen basiert, ist er der glaubwürdigste Politiker der Region. Im Streit mit Israel kann er den außenpolitischen Verlauf der arabischen Revolte beeinflussen. Da die Türkei und Israel bisher halbwegs befreundet waren, muss sich Israel vor einer völligen Isolierung hüten. Es wäre fatal, nur noch von Feinden umzingelt zu sein. Israel sollte daher die Spannungen mit Ägypten und der Türkei entschärfen und das verlorene Vertrauen wiederherstellen. Das geht aber nur, wenn es Ägyptern, Palästinensern und Türken die Versöhnung anbietet und sich für verursachte Schmerzen entschuldigt. Sollte dies misslingen, könnten die Spannungen dramatisch eskalieren und Israels Sicherheit gefährden.
Quelle: Westfalen-Blatt (ots)