Börsen-Zeitung: Salamitaktische Posse
Archivmeldung vom 18.12.2018
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Freigeschaltet durch André OttDie Verlängerung der Börsenäquivalenz ist auf kurze Sicht erfreulich. Die EU-Kommission kommt der Schweiz in salamitaktischer Manier entgegen, indem sie den regulatorischen Rahmen sowie die Aufsicht des Schweizer Finanzmarkts ein halbes Jahr länger als gleichwertig anerkennt. Unmittelbar gebannt ist damit die Gefahr, dass EU-Wertpapierhandelsfirmen keinen Zugang mehr zum Schweizer Markt erhalten.
Oder dass Aktien von Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, die in der Schweiz gelistet sind, nicht mehr regelmäßig in der EU handelbar wären. Doch die Regierung in Bern lässt ihren Plan B für den Fall einer Nichtanerkennung weiter in Kraft. Die EU wird nur von der Liste der nicht mehr zugelassenen Jurisdiktionen gestrichen. Die Drohkulisse bleibt bestehen, dass die Schweiz EU-Handelsplätzen die Anerkennung entziehen könnte.
So absurd sie anmutet: Diese Posse im Verhältnis der EU zur Schweiz ist noch nicht zu Ende. Die EU benutzt die Börsenäquivalenz als Druckmittel, um die Schweiz zur Zustimmung zum Rahmenabkommen zu bringen. Dieses soll insgesamt den Marktzugang regeln. Die Gleichwertigkeit der Schweizer Finanzmarktregulierung ist dabei nicht ernsthaft in Frage gestellt. Die EU-Kommission hat aber durch ihre sachfremde Verknüpfung zweier Themen und der scheibchenweise erteilten Börsenäquivalenz einem Ja zum Rahmenabkommen in der Schweiz womöglich einen Bärendienst erwiesen. Die im politischen Spektrum vor allem rechts und links der Mitte verbreiteten Bedenken in der Schweiz hinsichtlich Unionsbürgerrichtlinie und Sorgen bezüglich Lohndumpings sind damit nicht ausgeräumt.
EU-Kommissar Johannes Hahn hat auf der Pressekonferenz, auf der die halbjährige Verlängerung erläutert wurde, diplomatisch angedeutet, die Äquivalenz könne weiter verlängert werden, wenn die Schweizer Regierung das Rahmenabkommen unterstütze. Bisher tut sie dies nicht und hat das umstrittene Vertragswerk in eine Konsultation geschickt. Hier öffnet sich eine Tür. Die EU nimmt die Regierung in die Pflicht, will aber nicht nachverhandeln - unter Verweis auf wenig Appetit auf Spezialregelungen in der Union.
Verkompliziert wird alles durch den chaotischen Brexit-Prozess. Ein Großteil des Handels in Schweizer Aktien im Ausland läuft über London. Eine bilaterale Regelung mit der Schweiz ließe die EU hier im Sommer 2019 womöglich außen vor stehen. Schmerzen würde dies insbesondere jene deutschen Handelsplätze, bei denen der Handel mit Schweizer Aktien nennenswerte Erlöse bringt. Sie können derzeit nur auf den Schweizer Bundesrat hoffen.
Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Dietegen Müller