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Südwest Presse: Kommentar zur Börse

Archivmeldung vom 23.01.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.01.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es trägt schon panikartige Züge, was an den Weltbörsen derzeit geschieht. Wenn Gradmesser wie der Deutsche Aktien-Index (Dax) oder der Dow Jones-Index, der die wichtigsten US-Aktien gewichtet, innerhalb weniger Tage um ein Fünftel nachgeben, dann signalisiert dies vor allem, dass sich viele Anleger Hals über Kopf aus Aktien verabschieden wollen - koste es, was es wolle - und es kostet die Börsianer derzeit enorm viel Geld.

Ob solche Panikattacken gerechtfertigt sind oder nicht, wird erst die Zeit zeigen. Hinterher ist man immer schlauer, hat jeder ohnehin gewusst, was schließlich eingetreten ist. Doch mitten im Auge des Hurrican haben die meisten nur Schweißperlen auf der Stirn und Gedanken im Kopf, wieso es nur so weit kommen konnte. Die Gründe für das Desaster an den Kapitalmärkten sind hinlänglich bekannt. Alles geht von den USA aus, wo viele Verbraucher weit über ihre Verhältnisse gelebt haben, weil ihnen Kredite aufgedrängt wurden von Bankiers, die nur die Dollarzeichen in den Augen hatten, aber nicht sehen wollten, welche Risiken sich dahinter verbergen. Denn dass alles immer nur bergauf geht, dass Kurse nur steigen, Preise nur klettern und Einkommen nur zunehmen können, das ist eine Mär, die schon durch viele Börsenrückschläge zerstört wurde, aber immer wieder auflebt. Die Menschen wollen einfach daran glauben und deswegen ignorieren sie sämtliche Gefahren. Deshalb sagt diese Affäre, die ja trotz vielfacher Beteuerungen auch auf deutsche Institute übergegriffen hat, viel über die Geldgier mancher Bankmanager, viel über ihre Ignoranz und noch mehr über ihr Versagen. Es wird insbesondere dann überdeutlich sichtbar, wenn, wie bei zumindest zwei Landesbanken der Steuerzahler als Retter einspringen muss, oder Vorstände am einen Tag Versäumnisse leugnen, um am anderen Millionenverluste zu offenbaren. Entweder sagt da jemand bewusst nicht die Wahrheit - oder er verkennt die Lage seines Hauses in dramatischer Weise. Beides ist gleich schlimm. Mit Beruhigungspillen wie der massivsten Zinssenkung jüngerer Zeit und einem 145 Milliarden Dollar schweren Konjunktur-Notprogramm versuchen die US-Notenbank und die Bush-Regierung die Krise in den Griff zu bekommen. Das kann freilich so lange nicht gelingen, bevor nicht die ganze Wahrheit, das wirkliche Ausmaß der globalen Geldvernichtung bekannt ist. Denn die Börsianer haben das Vertrauen in die maßgeblichen Akteure verloren. Deren Beruhigungspillen will niemand mehr schlucken, solange nicht klar ist, ob darin nicht doch noch Spuren eines Giftes vorhanden sind. Erst im Frühjahr, wenn alle Bilanzen auf dem Tisch liegen, wird man mehr wissen über die künftige Richtung der Kurse. Bis dahin wird es an den Börsen auf- und abwärts gehen wie auf einer Achterbahn. Privatanleger sollten sich tunlichst aus diesem Spiel heraushalten und alte Börsianerweisheiten beherzigen - etwa diejenigen, dass man nie in ein "fallendes Messer" (sprich sinkende Kurse) greift und den günstigsten Zeitpunkt zum Ein- oder Ausstieg ohnehin nie trifft.

Unbeschadet aber wird niemand aus der Krise kommen. Denn sie hat Auswirkungen auf die Konjunktur und wird das Wirtschaftswachstum weltweit schwächen. Zumindest für die exportorientierten deutschen Unternehmen gilt aber: Die Auftragsbücher sind so prall gefüllt, dass Rezessionsängste wie in den USA hierzulande noch unbegründet sind.

Quelle: Südwest Presse

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