"nd.DerTag": Humanität als Ausnahmefall - Kommentar zur internationalen Hilfe nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien
Archivmeldung vom 08.02.2023
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.02.2023 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Mary SmithDas Erdbeben hat zu großem Leid in der Türkei und in Syrien geführt. Etwa 23 Millionen Menschen sollen betroffen sein. Dass nun die internationale Hilfe anläuft, ist ohne Einschränkung zu begrüßen. Sie zeigt, dass Menschenleben in der Region, deren Einwohner immer wieder von militärischen Konflikten bedroht sind, unter bestimmten Umständen doch etwas zählen. Obwohl sie mit Syrien verfeindet sind, haben nun auch westliche Staaten wie die Bundesrepublik angekündigt, Millionenbeträge zur Verfügung zu stellen.
Tausende sind bereits tot, viele können noch aus den Trümmern gerettet werden. Dass der Westen sein Herz für die gesamte syrische Bevölkerung entdeckt hat, ist allerdings zweifelhaft. So trafen die westlichen Sanktionen bisher vor allem die Zivilbevölkerung, nicht aber die Staatsführung von Präsident Baschar Al-Assad. Menschen dürfen nicht stellvertretend für die Politik ihrer autoritären Herrscher bestraft werden. Diese Maxime gilt aus westlicher Sicht nur dann, wenn erschreckende Bilder einer Naturkatastrophe über den Bildschirm flimmern.
Dass diese Mitmenschlichkeit leider nicht die Regel, sondern ein Ausnahmefall ist, zeigt auch ein weiteres Beispiel. Die russische Regierung hat ebenfalls sowohl in der Türkei als auch in Syrien ihre Bereitschaft zur Hilfe erklärt. Erinnert sei daran, dass Russland noch vor wenigen Jahren während des Krieges im letztgenannten Land nicht nur die Terrormiliz Islamischer Staat und weitere Islamisten, sondern auch zivile Ziele bombardiert hatte. In der Ukraine demonstriert das russische Militär zurzeit, was es einst auch in Syrien praktiziert hatte. Sich nun als Helfer zu inszenieren, ist zynisch. Eine Alternative dazu gibt es für die Betroffenen aber nicht.
Quelle: nd.DerTag / nd.DieWoche (ots)