LVZ: Selbstverständnis
Archivmeldung vom 18.04.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.04.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie USA werden vom schwersten zivilen Massaker mit Schusswaffen in ihrer Geschichte erschüttert. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein derartiges Drama Entsetzen und Ratlosigkeit hervorruft. In Deutschland wird darüber hinaus sofort die Erinnerung an die Ereignisse von Erfurt wach.
All das löst den verständlichen Wunsch
aus, mit einem klaren, moralisch sauberen Verhaltensmuster eine
Wiederholung solcher Vorfälle für alle Zeiten auszuschließen.
Im konkreten Fall scheint die Lösung auf der Hand zu liegen: Wenn die
USA die Rechte der mächtigen Nationalen Schusswaffenvereinigung NRA
oder der Gun Owners of America beschnitten, könnten Amokläufe wie
jener von Blacksburg künftig verhindert werden. Das hat der
amerikanische Regisseur Michael Moore in seinem Streifen "Bowling for
Columbine" pointiert und Millionen Zuschauer applaudierten
begeistert.
Allerdings geht dieser Ansatz von zwei falschen Voraussetzungen
aus.Die eine lautet: Ein hoher Waffen-anteil in der Bevölkerung führt
automatisch zu einer hohen Verbrechensrate. Statt dessen aber werden
beispielsweise im Bundesstaat New York 20-mal so viele Verbrechen
began-gen wie in Vermont. In Vermont aber gibt es dreimal so viele
Waffen wie in New York. Auch in Deutschland übrigens steigt die Zahl
der - oft illegal aus Osteuropa importierten - Waffen langsam, aber
stetig, während die einschlägigen Delikte nach wie vor zurückgehen.
Die zweite falsche Annahme ist: Ein besonders scharfes Waffenrecht
kann derartige Dramen ausschließen. So wiederholte sich im Jahre 2004
in den restriktiveren Niederlanden die Choreografie des Erfurter
Massakers an einer Haager Schule. Im ebenfalls hart durchgreifenden
Großbritannien ereignete sich in den vergangenen Tagen eine Mordserie
an Teenagern.
Schon gar nicht verhindert würden Bluttaten wie die von Pforzheim,
bei der ein Mann mit einem Samuraischwert wütete, das Gemetzel eines
Messerstechers auf der Berliner Bahnhofsparty oder die Amokfahrt
eines Verwirrten in eine Menschenmenge vor dem Brandenburger Tor
während der Fußball-WM. Auch in Blacksburg deutet vieles daraufhin,
dass der Täter nach einem Beziehungsdrama regelrecht ausgerastet ist.
Er hätte ebenso ein Auto zur Waffe machen oder zu einer Kettensäge
greifen können. Gegen Kurzschlussreaktionen aber wird es selbst mit
komplexen präventiven Konzepten niemals eine letzte Sicherheit geben.
Die USA tun sich mit einer Reformierung des Waffenrechts schwer. Dies
liegt nicht zuletzt daran, dass es traditionell aus den Zeiten des
Bürgerkriegs eine ganz andere Wertigkeit besitzt als in Europa.
Jegliche Einschränkung rührt daher auch am Selbstverständnis. Deshalb
wird sich der innenpolitische Druck auf Präsident Bush von Seiten der
Demokraten in dieser Frage in Grenzen halten.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung