Die Leipziger Volkszeitung zu Iran
Archivmeldung vom 27.03.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.03.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGroße Kriege beginnen in der Regel mit vermeintlich kleinen Anlässen. Ob die Festnahme von 15 britischen Marine-Angehörigen durch Iran in diese von Sarajevo bis Tonking reichende Kategorie gehört, ist noch nicht ausgemacht.
Sicher
ist: Wer auch immer an einer Eskalation interessiert ist, findet an
der iranisch-irakischen Grenze ideale Bedingungen. Seit dem
Osmanischen Reich ist der Grenzverlauf umstritten. Hoheitsansprüche
auf den Shatt el Arab und damit auf den Zugang zum Persischen Golf
waren einer der Auslöser des ersten Golfkrieges. Flüsse hinterlassen
zudem keine Spuren. Behaupten lässt sich also vieles, beweisen so gut
wie nichts.
In dieser Grauzone ungeklärter Umstände stellt sich deshalb vor allem
die Frage nach dem Sinn der erneuten Spannungen. Motive haben beide
Seiten. Für Irans Präsident Ahmadinedschad beweist der Einsatz der
Patrouille in angeblich iranischen Hoheitsgewässern eine aggressive
Einmischung des Westens. Für den treuesten US-Verbündeten Tony Blair
steht Teheran dagegen im Verdacht, die Krise im Machtpoker um das
Atomprogramm absichtlich heraufzubeschwören.
Tatsächlich hat Präsident Ahmadinedschad angekündigt, auch hundert
UN-Beschlüsse werden kein Ende der Urananreicherung erwirken. Dieser
Haltung liegt jedoch weniger Sturheit als vielmehr das nüchterne
Kalkül des derzeitigen Kräfteverhältnisses zugrunde. Die eben
verabschiedeten UN-Sanktionen sind zu schwach, um Iran zum Einlenken
zu zwingen. Für schärfere und wirkungsvollere braucht es Zeit. Da
kommt jede vermeintliche oder tatsächliche iranische Provokation
recht.
Umgekehrt spielt der Iran vor dem Hintergrund eines befürchteten
Angriffs durch US-Truppen auf Zeitgewinn. Jeder Tag Verzögerung, der
sich mit Verhandlungen über die 15 Marines herausschlagen lässt,
zählt. Und erhöht die Spannungen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung