Westdeutsche Zeitung: Afghanistan - die Nadelstiche sitzen
Archivmeldung vom 08.02.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSteter Tropfen höhlt der Stein. Noch im November hatte Bundeskanzlerin Merkel die Forderung der Nato nach einem stärkeren Engagement der Bundeswehr in Afghanistan zurückgewiesen. Inzwischen haben gezielte Nadelstiche wie der aus dem Pentagon, die Deutschen müssten das Töten lernen, offenbar ihr Ziel erreicht.
Die Berliner Koalitionsregierung hat ihre Zurückhaltung
aufgegeben und den Tornado-Einsatz über ganz Afghanistan beschlossen.
Wenn im März der Bundestag zustimmt, wird aus dem Stabilisierungs-
und Wiederaufbaueinsatz am Hindukusch ein lupenreiner Kampfeinsatz.
So jedenfalls hat der SPD-Vormann Struck gestern das Kind beim Namen
genannt, und das war Klartext aus dem Munde eines früheren
Verteidigungsministers.
Wachsweich hingegen ist, was im Berliner Tornado-Mandat schwarz auf
weiß niedergeschrieben ist dass nämlich "eine restriktive
Übermittlung von Aufklärungsergebnissen" möglich sei. Wozu sonst
sollten deutsche Aufklärer Luftaufnahmen machen, wenn nicht, um
alliierten Verbündeten Zielfotos an die Hand zu geben? Nein auch
wenn die deutsche Luftwaffe selbst keine Bomben wirft: Am Krieg in
Afghanistan ist sie künftig beteiligt.
Die Bundeswehr als aktiver Bestandteil der US-geführten
Anti-Terror-Streitmacht diese neue Rolle muss nicht nur im
traditionell deutschfreundlichen Afghanistan, sondern auch
hierzulande vermittelt werden. Es wird, nicht von deutscher Hand,
aber mit deutscher Hilfe, Opfer geben - was nichts anderes bedeutet
als Tote. Und es wird Kollateralschäden geben - was nichts anderes
meint als den Tod unbeteiligter Zivilisten.
Die Zeit ist reif, dass diese Bundesregierung unmissverständlich sagt
und gut begründet, worüber das Parlament im März entscheiden soll und
worauf sich zivile und uniformierte Bürger einstellen müssen.
Bündniskampf gegen den internationalen Terrorismus unter
gleichzeitiger Wäsche der Hände in Unschuld kann auf Dauer nicht
funktionieren. Wir sind gespannt auf die Debatten der kommenden Wochen. Zwei Drittel
der Bevölkerung lehnen einen Kriegseinsatz in Afghanistan ab. Auch
Abgeordnete der Koalition werden Schwierigkeiten bekommen,
Kampfeinsatz zu nennen, was sie bislang als Mission umschrieben
haben. Und das benachbarte Ausland wird sich die Augen reiben über
den Beschluss einer großen Koalition, dem am Ende die große Mehrheit
im Parlament fehlen könnte.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung