Börsen-Zeitung: Chemie baut ab
Archivmeldung vom 20.11.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs sei die schlimmste Entwicklung, die er jemals erlebt habe, stimmte der Chef des US-Chemiekonzerns Dow Chemical vor wenigen Tagen den Markt auf das Krisenszenario ein.
Die Branche gilt traditionell als konjunktureller Frühindikator, insofern war es überraschend, dass die Geschäfte bei vielen großen Chemieanbietern in den ersten sechs Monaten des Jahres noch relativ stabil gelaufen sind. Doch inzwischen hagelt es schlechte Nachrichten aus der Branche, die vier fette Jahre hinter sich hat.
Dass sich die Krise zuspitzt, zeigt sich an der schwindenden Halbwertszeit von Prognosen. So musste die BASF nur knapp drei Wochen nach der ersten Korrektur das Ergebnisziel abermals nach unten anpassen. Eine neue Vorhersage wagt der Vorstand nicht, während sich das Management der Dow Chemical weiter aus dem Fenster lehnt und sogar eine Einschätzung für 2009 gibt.
Wie die Wettbewerber bekommt der weltgrößte Chemiekonzern einen drastischen Nachfragerückgang in wichtigen Kundengruppen zu spüren. Hart getroffen werden die Anbieter von Kunststoffen, Lacken und Additiven derzeit vor allem von den Problemen der Automobil- und Bauindustrie. Die Abhängigkeit ist groß, erzielt doch die BASF bislang jeweils 10 bis 15% ihres Gruppenumsatzes (einschließlich Öl- und Gasgeschäft) mit diesen Abnehmern. Vor allem die krisengeschüttelten Automobilhersteller haben nun kurzfristig Aufträge storniert, was die Chemie zu drastischem Produktionsabbau zwingt.
Andere Kundensegmente vermögen die Lage nicht zu stabilisieren. Aufgrund der sinkenden Rohstoffpreise bauen die meisten Sektoren weltweit derzeit ihre Lagerbestände ab. Die ganze Dramatik wird sichtbar in den Erwartungen von Dow Chemical, wonach im vierten Quartal die Erlöse um 10 bis 20% einbrechen werden und sich dieser Abschwung in der ersten Hälfte 2009 fortsetzen dürfte.
Die BASF trifft das Desaster in einer Phase, in der der Konzern mit Ciba einen der größten Erwerbe in der Firmengeschichte zu verdauen hat - und dies zu einer Vorkrisenbewertung. Mit der zweiten Gewinnwarnung hat der Konzern 4 Mrd. Euro Marktwert verloren - etwa so viel, wie für Ciba ausgegeben wird. Doch bilanziell steht BASF nach den vielen guten Jahren und der stetigen Kostensenkung kerngesund da und geht mit hoher Widerstandskraft in die Rezession.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Sabine Wadewitz)