LVZ: zu: Verlusten in Sachsens Chipindustrie
Archivmeldung vom 05.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSolange in Sachsens Chipindustrie eine Erfolgsmeldung die andere jagte, Investition auf Investition folgte, wollte kaum jemand an ein Grundgesetz der Mikroelektronik erinnert werden: Alle eineinhalb Jahre ist eine neue Chipgeneration fällig, und wer in der ersten Liga bleiben will, muss alle zwei bis fünf Jahre klug und vor allem viel in neue Produkte und Chipfabriken investieren.
Dass diese extrem kurzen Technologiezyklen irgendwann auch Dresden bedrängen würden, war für Branchenkenner stets klar. Und so hat die Erfolgsgeschichte des "Silicon Saxony" inzwischen manchen Knacks bekommen. In den Dresdner Werken von Infineon und Qimonda war es ein Zusammenspiel aus dem aktuellen Weltmarkt-Preistief für Speicherchips und verspäteten beziehungsweise ausgebliebenen technologischen Investitionen, die kürzlich rund 600 Zeitarbeiter Lohn und Brot kosteten. Den Dresdner AMD-Werkern hat die Konzernleitung noch eine Gnadenfrist gewährt und "nur" einige Investitionen verschoben. Seit die AMD-Prozessoren vor ein, zwei Jahren technologisch hinter die Intel-Konkurrenz zurückfielen und der Konzern die kanadische Grafikkartenfirma ATI teuer einkaufte, fährt AMD ein Verlustquartal nach dem anderen ein. Dass vom Dresdner Mikroelektronik-Pionier ZMD inzwischen nur ein Konglomerat kleiner Firmen übrig blieb, mag man auf eine überspannte Expansionspolitik zurückführen. Ein Problem: Die Dresdner Elektronik-Ansiedlungen waren eben auch ein staatlich subventionierter Versuch, sich gegen einen Globalisierungseffekt zu stemmen: Je höher der Preisdruck in einer Branche, desto mehr neigt das Kapital dazu, in so genannte Billiglohnländer zu fließen. Die besonders heiß umkämpfte Chipindustrie ist diesem Trend eben ein paar Globalisierungsjahre voraus. Während andere Branchen noch über Fabriken in Osteuropa nachdenken, ist manchem Elektronikkonzern sogar China schon zu teuer, da setzt man inzwischen gar auf Vietnam. Sollte nun die EU für Mikroelektronik-Ansiedlungen in Europa wieder höhere Staatszuschüsse erlauben, wie manche fordern? Als Antwort sei die Frage erlaubt, wie lange sich Deutschland wohl ein Bieten um jeden Preis um jede neue Chipfabrik leisten könnte. Und dass anderseits Globalisierung nicht immer gut geht, zeigte vor einigen Jahren das Beispiel IBM: Damals baute der Konzern in Ungarn eine Festplattenfabrik, die so miese Qualität hervorbrachte, dass IBM am Ende diese Sparte völlig aufgab. Langfristig mag sich der neue Kurs der Landesregierung besser auszahlen, statt auf einen Subventionswettlauf lieber auf den Aufbau einer besseren Forschungs- und Bildungsinfrastruktur in Sachsen zu setzen, um Investoren anzulocken. "Silicon Saxony" mag angeschlagen sein, abschreiben sollte man die hiesige Mikroelektronik längst nicht.
Quelle: Leipziger Volkszeitung