Allg. Zeitung Mainz: Unrealistisch Kommentar zu Bildung und Kinderbetreuung
Archivmeldung vom 29.08.2017
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Freigeschaltet durch André OttKostenlose Bildung auf allen Ebenen, von der Kita-Betreuung bis zum Studien-, ja sogar bis zum Meisterabschluss - das Ansinnen, das die SPD mit ihrem Wahlprogramm verfolgt, ist löblich. Und nachvollziehbar.
Es wurmt Martin Schulz, dass andere Parteien jede Gelegenheit nutzen, um der SPD unter die Nase zu reiben, dass sie sozialdemokratischen Werten über die Jahrzehnte abgeschworen habe. Sie wollte die breite Masse gewinnen und hat dabei viele Basiswähler verloren. Jetzt will Schulz mit dem Kopf durch die Wand. Auf einen Schlag sollen Sozial- und Bildungssektor umgekrempelt werden.
Eine stärkere Kooperation von Bund und Ländern macht Sinn, vor allem bei der Finanzierung sollte der Bund stärker eingebunden werden. Flächendeckende Bildung und Betreuung zum Nulltarif ist in Deutschland allerdings (noch) unrealistisch. Nicht zuletzt die Bertelsmann-Studie zu Kitas zeigt eines ganz deutlich: Die Qualität der Betreuung nimmt zu, auch der Personalstamm wächst. Doch die regionalen Unterschiede sind immer noch erheblich.
Bevor also alle Gebühren abgeschafft werden, muss jedes Kind die Möglichkeit haben, ganztägig und in angemessener Qualität betreut zu werden - ob in Kita oder Schule. Es bräuchte alleine zusätzliche 107 200 Fachkräfte und jährlich weitere 4,9 Milliarden Euro, um den von der Bertelsmann-Stiftung empfohlenen Betreuungsschlüssel von einer Fachkraft für drei Krippenkinder bzw. 7,5 Kindergartenkinder zu garantieren. Von Ganztagsschulplätzen für ältere Kinder ganz zu schweigen. Es gilt, nichts zu überstürzen: Erst muss die flächendeckende Versorgung sichergestellt werden, dann können Gebühren abgeschafft werden.
Quelle: Allgemeine Zeitung Mainz (ots) von Nicholas Matthias Steinberg