LVZ: Druck auf Steinbrück
Archivmeldung vom 03.04.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.04.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAuf den ersten Blick hat das Seltenheitswert: Ein Spitzentreffen zu einem brisanten Thema geht mit einem konkreten Ergebnis zu Ende. Weder die zum Polit-Event aufgeblasenen Gipfel um die Schwerpunkte Integration, Energie, Gesundheit und Innovation konnten die hohen Erwartungen auch nur annähernd erfüllen.
Der Krippengipfel hat dagegen mit einem Minimal-Erfolg eine
Bauchlandung abgewendet. Für jedes dritte Kleinkind steht bis 2013
ein Betreuungsangebot zur Verfügung. In Bundesländern wie
Sachsen-Anhalt, wo der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für die
Betreuungsquote von über 50 Prozent sorgt, klingt das wie ein Schritt
zurück. Nordrhein-Westfalen mit einer Quote von sieben Prozent kann
das dagegen als ersten Ansatz zu einer Verbesserung betrachten.
Ursula von der Leyen, zuständige CDU-Familienministerin mit einem
Faible für das Weichklopfen streng konservativer Erziehungsideale,
hat es zudem geschafft, den Ost-West-Giftstachel aus dem Thema zu
ziehen. Anders als bei der Verteilung der Solidarpaktgelder, wo eine
unsinnige Neid-Debatte ostdeutsche Leuchttürme wie Dresden, Leipzig
oder Jena mit darbenden Weststädten wie Gelsenkirchen in einen Topf
wirft, lässt die Kinderkrippen-Analyse keine doppelten
Interpretationsmuster zu.
Die fünf ostdeutschen Bundesländer verfügen - auch dank der
Vergangenheit - über eine vergleichbar komfortable Ausgangssituation.
Hier geht es weniger um neue Plätze, sondern um die Anhebung der
Betreuungsqualität. Sachsen und Sachsen-Anhalt machen sich zum
Beispiel für eine professionellere Ausbildung von Erzieherinnen
stark. Dass Qualität genauso wie Quantität viel Geld kostet, liegt
auf der Hand. Insofern stimmt es optimistisch, wenn aus dem Haus der
Ministerin die Signale relativ eindeutig sind: Die Mittel sollen
nicht mit der Gießkanne verteilt werden. Entscheiden werde der
finanzielle Bedarf der Länder.
Von der Leyens Pläne haben allerdings immer noch einen Makel: Sie
sind in ihrer Umsetzung weiter abhängig von der Zustimmung des
SPD-Finanzministers. Er werde von Begehrlichkeiten umzingelt, hatte
sich Peer Steinbrück unlängst deutlich beschwert. Und mit diesem auch
in Richtung seiner nach vorn preschenden Kollegin gezielt. Zwar zieht
die Konjunktur an, die Steuereinnahmen sprudeln unverhofft, der
oberste Kassenwart aber hält die Taschen - vorerst - weiter zu. Das
ist zumindest im Ansatz konsequent, weil in Anbetracht der
gigantischen Schuldenlast von rund 1000 Milliarden Euro jeder
gesparte Euro den Staat vor der Zahlungsunfähigkeit retten kann.
Doch Steinbrück wird eine reine Spar-Taktik nicht durchhalten können.
Der Druck auf ihn wächst, in Zukunftsfelder mehr zu investieren. Die
Kinderbetreuung für unter Dreijährige, bei der Deutschland im
EU-Vergleich abgeschlagen noch hinter Bulgarien rangiert, zählt dazu.
Das gilt mittlerweile als gesellschaftlicher Konsens. Soviel
zumindest hat Ministerin von der Leyen geschafft. Geübt im Bohren
dicker Bretter, wird sie kaum auf der vorletzten Stufe ihres Plans
Halt machen. Da stellt sich eigentlich nur noch die Frage, wie viele
Milliarden der Finanzminister rausrücken wird.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung