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Mittelbayerische Zeitung: An den Menschen vorbei

Archivmeldung vom 20.04.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.04.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Als Nicolas Sarkozy damit begann, mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen Werbung in eigener Sache zu betreiben, konnte man noch den Eindruck gewinnen, er hätte erspürt, welche Sorgen seine Landsleute umtreiben. Er veranstaltete einen Job-Gipfel, kündigte an, Unternehmen durch die Senkung der Lohnnebenkosten zu entlasten und die heimische Industrie durch eine Höherbesteuerung von Importartikeln zu fördern. Gegen das Haushaltsdefizit sollte eine verfassungsmäßig verankerte Schuldenbremse helfen.

Kurzum, Sarkozy wollte Wirtschaftskompetenz demonstrieren. Davon ist nicht mehr viel übrig. Es hätte die perfekte Wahlkampfstrategie werden können, wenn sich Sarkozy auf die Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme der "Grande Nation" konzentriert hätte - und das nicht nur rhetorisch, sondern auch konzeptionell. Schon 2007, zu Beginn seiner Präsidentschaft, versprach Sarkozy den Wählern für mehr Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu sorgen. Ziemlich genau zum gleichen Zeitpunkt schlug in Frankreich die Finanzkrise ein - und setzt sich bis heute beinahe ungehindert fort. Die Zahlen klingen wie eine persönliche Niederlage Sarkozys: So fuhr Frankreich im vergangenen Jahr ein Außenhandelsdefizit von 80 Milliarden Euro ein, die Staatsverschuldung liegt bei 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, dem Land droht in diesem Jahr sogar eine Rezession. Am 13. Januar wurde Frankreichs Angsttraum Wirklichkeit: Das Land verlor die Triple-A-Bonität der Rating-Agentur Standard & Poor's. Die Arbeitslosenquote liegt bei zehn Prozent - eine Million Menschen mehr sind arbeitslos als zu Beginn der Amtszeit Sarkozys. Die unter 25-Jährigen sind besonders häufig davon betroffen. Es gibt einen aufgeblähten Beamtenapparat - jeder Fünfte ist in Frankreich im öffentlichen Dienst beschäftigt. Die Produktionsquote ist niedrig, die Staatsquote dafür so hoch wie in keinem anderen Land der Euro-Zone. Klar ist: Solche Probleme sind nicht einfach zu lösen. Das ist aber den Wählern egal, die sich um ihre Zukunft sorgen. Sie identifizieren einen Präsidenten, vor allem einen, der sich als "Macher" inszeniert, mit der Lage des Landes. Sarkozy entschied sich für die einfache Variante, um Popularitätspunkte zu sammeln und konzentrierte sich in seinem Wahlkampf zeitweise relativ erfolgreich auf Themen, die ihm Zustimmung von rechten Rand des Parteienspektrums brachte. Er plädierte für die Begrenzung von Einwanderung, für die Aussetzung des Schengen-Abkommens, um Grenzkontrollen zu ermöglichen. Mit dem Rechtskurs war es nach der Mordserie von Toulouse aber weitgehend vorbei. Ein weiterer Versuch, die Defizite seiner wirtschaftspolitischen Bilanz auszugleichen: Sarkozy setzte sich auf dem internationalen Parkett in Szene und wollte sich der Weltöffentlichkeit und den Franzosen etwa durch seinen Alleingang bei der Anerkennung des libyschen Übergangsrats im Arabischen Frühling als starken Mann präsentieren. Auch innerhalb der Europäischen Union versuchte er, eine Führungsrolle zu übernehmen. Doch der potenzielle Nachfolger würde es kaum besser machen: Konkrete Rezepte gegen die wirtschaftlichen Probleme Frankreichs hat auch Sarkozys ärgster Widersacher, der Sozialist François Hollande, nicht zu bieten. Egal, wer am Ende das Rennen macht - der nächste Präsident wird vor der Herausforderung stehen, die Finanzen und die Wirtschaft Frankreichs wieder auf Vordermann zu bringen. Es wird sich zeigen, mit wem die Franzosen diesen Weg gehen wollen - mit dem besonnenen Hollande oder mit einem als hyperaktiv geltenden "Präsident der Reichen", der schon in den vergangenen Jahren an den wirtschaftlichen und finanziellen Ängsten der Menschen vorbeiregierte.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)

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