Börsen-Zeitung: Porsche-Power, Kommentar zum Plan Porsches das VW-Engagement auszubauen von Gottfried Mehner
Archivmeldung vom 24.06.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.06.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlEs nötigt schon Respekt ab, wie selbstbewusst nach kurzem Sprint Porsche auf dem Fahrersitz bei VW Platz genommen hat. Lediglich 3,5 Mrd. Euro mussten eingesetzt werden, um das Steuer bei Europas größtem Volumenhersteller zu übernehmen. Nun wartet alle Welt darauf, dass es in Wolfsburg endlich kraftvoll vorangeht. Dort wollen einige aber eher einen zweiten Rückwärtsgang einlegen.
Außer der Bremstechnik funktioniert bei VW in diesen Tagen recht
wenig. Es war abzusehen, dass das Land Niedersachsen als bislang
allein waltender und schaltender Großaktionär wenig begeistert auf
den Einstieg der Stuttgarter reagieren würde. Denn was kommt, ist
klar: Noch sitzt das Land auf dem Beifahrersitz. Aber weil es beim
Steuern stört, muss es demnächst nach hinten auf den Rücksitz und -
sobald Brüssel das fossile VW-"Gesetz" kassiert - folgt dann die
Verbannung in den Kofferraum.
Brüssel ist die große Unbekannte in diesem Spiel. Porsche hat sich bislang nur auf die Lauer gelegt. Um den schwer erträglichen Stillstand bei VW zu beseitigen, wäre eine frühe Entscheidung der EU natürlich höchst willkommen. Derzeit läuft in Wolfsburg zu viel auseinander, was zusammengehört. Herr Neumann meldet sich zu Wort, Herr Bernhard meldet sich zu Wort, und, tatsächlich, Herr Pischetsrieder ist auch noch an Bord.
Porsche präpariert sich jedenfalls für den Tag X und sichert sich
die Sperrminorität für ein aktienrechtlich normalisiertes Umfeld. Bis
dahin hat sich die Sportwagenschmiede aber ein Riesenproblem
aufgebürdet. Die Börsenbewertung spricht Bände: VWs 19 Mrd. Euro
(inkl. Vorzügen) liegen deklassierend hinter BMW (23 Mrd. Euro) und
DaimlerChrysler (39 Mrd. Euro). Die Eigenkapitalrendite (vor Steuern)
lag zuletzt bei 3,5%, während es die Wettbewerber im Vorjahr im
Schnitt auf rund 8% brachten. Porsche bringt es in dieser Disziplin
bekanntlich auf rund 26%.
Die Ursachen für die gesamte Misere sind hinlänglich ausanalysiert: Die Inlandswerke verlieren dreistellige Millionenbeträge, es dauert zu lange, bis die brave Massenware die Bänder verlässt, und die 28,8-Stunden-Woche hält VW im Würgegriff. Ein Ruck an der Spitze hätte vielleicht auch einen Ruck an der Basis ausgelöst. Aber genau diesen hat Porsche verhindert. Es ging um einen Burgfrieden mit dem Land. Der wurde mit Stillstand und Selbstblockade zu teuer erkauft.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung