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Börsen-Zeitung: Winkelzüge

Archivmeldung vom 29.01.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.01.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Berliner und Pariser Politiker, EU-Bürokraten, Unternehmenslobbyisten, Kartellbehörden, nationale Parteien und mittlerweile sogar Stammtische: Alle beteiligen sich an der Diskussion über die Fusion der Siemens-Bahntechnik mit dem Konkurrenten Alstom. Die Debattenteilnehmer bringen sehr gegensätzliche Interessen ein. Nicht einmal die Vertreter der Fusionspartner und beider beteiligten Länder scheinen immer an einem Strang zu ziehen. Die Lage wird unübersichtlich. Was hat über den Tag hinaus Bestand?

Die Werthaltigkeit des modifizierten Angebots von Siemens und Alstom lässt sich nur eingeschränkt beurteilen. Die Partner können sich zugutehalten, dass sie durch die offerierten Verkäufe auf die Hälfte ihrer künftigen Umsatzsteigerungen in der Signaltechnik verzichten. Außerdem machen sie mit der langfristigen Lizenzierung der Hochgeschwindigkeitszugs-Technologie ein so gutes Angebot an die Konkurrenten, dass es bereits Kaufinteressenten gibt.

Das Duo ist der EU-Kommission trotzdem nur einen kleinen Schritt entgegengekommen. Denn das ökonomische Kalkül der Fusion wollen Siemens und Alstom nicht riskieren. Brüssel hat jedoch weit umfangreichere Zugeständnisse verlangt, damit die Fusion freigegeben wird. Das modifizierte Angebot wird den Deal also kaum retten.

Der aktuelle Kampf geht demnach nur noch scheinbar um die Frage, ob die Siemens-Sparte mit Alstom fusionieren darf. Die Kontrahenten versuchen vielmehr, sich jeweils den Schwarzen Peter für ein Verbot unterzuschieben. Die EU-Kommission insinuiert, das Duo habe zu spät und zu wenig angeboten. Die Unternehmen und vor allem die Politik ventiliert, die Kommission sei naiv und schade Europa im Wettbewerb mit China.

Nun könnte man über derlei Winkelzüge lachen, wenn es nur darum ginge, wer am Schluss seine Ehre bewahrt. Es steht aber mehr auf dem Spiel: das Wettbewerbsrecht. Wenn sich in der Öffentlichkeit der Eindruck durchsetzt, dass Europa sich nur mit eigenen Champions auf dem Weltmarkt gegen das staatsgelenkte China und das interventionistische Trump-Amerika durchsetzen kann, dann ist der Boden bereitet für eine Überarbeitung der Vorschriften.

Siemens und die deutsche sowie französische Politik haben aus ihrer Sicht einen guten Zeitpunkt gefunden für die Debatte. Die Europawahl im Mai wird eine neue Kommission bringen, die ihre eigenen Regeln definiert. Mit Manfred Weber (CSU) hat sich bereits ein Politiker für ein Umdenken im Kartellrecht ausgesprochen, der künftig eine bestimmende Rolle in dieser Kommission spielen könnte.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Michael Flämig

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