Neues Deutschland: zum Moskau-Besuch von Kanzlerin Merkel
Archivmeldung vom 17.01.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWladimir Putin spricht Deutsch mit russischem Akzent, Angela Merkel Russisch mit deutschem. Aber das war nicht gemeint, als von neuen Akzenten die Rede war, die beim ersten Moskau-Besuch unser aller Bundeskanzlerin hörbar werden sollten. Die scharfen Töne, die manche ihr angeraten hatten, vermied Frau Merkel wohlweislich.
Aber kumpelhafte »Freundschaft« wollte sie durch
»strategische Partnerschaft« ersetzt wissen. Auch zu einem solchen
Verhältnis gehört allerdings, dass der eine sich in die Lage des
anderen Partners versetzt, selbst wenn er »nicht unbedingt« der
gleichen Meinung ist (Originalton Merkel zur Sache Tschetschenien).
Im Falle Russlands verlangt das unter anderem zu verstehen, dass
»Demokratie« für die meisten Russen gleichbedeutend mit dem Verfall
ist, den sie unter Boris Jelzin erlebt haben. Wer im Westen jenes
Jelzin-Russland wiederhaben will, wird in Moskau weder viele Freunde
noch viele Partner finden. Auf die aber ist Angela Merkel angewiesen,
will sie der deutschen Wirtschaft die »großen Chancen« des russischen
Marktes und die »atemberaubenden Zuwächse« im Warenaustausch nicht
vermasseln.
Der klirrende Frost, der Moskau dieser Tage heimsucht, ist - zu
beider Seiten Vorteil - in den deutsch-russischen Beziehungen
jedenfalls nicht eingekehrt. Im April werden sich Putin und Merkel in
Tomsk wiedersehen, im Juli in Petersburg. Bis auf Weiteres gilt:
Völker, lauscht den Akzenten!
Quelle: Pressemitteilung Neues Deutschland