Westdeutsche Zeitung: Frankfurter Richterin
Archivmeldung vom 31.03.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 31.03.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDass Urteile "im Namen des Volkes" oft alles mögliche für sich in Anspruch nehmen können, nur eben nicht, im Namen des Volkes zu sein, ist eine Binsenweisheit. Manchmal allerdings wird der Gegensatz zwischen einem Richterspruch und der Volksmeinung so eklatant, dass ein Aufschrei durch die Republik geht - ein Aufschrei, der durchaus heilend wirken kann.
Nicht anders war und ist das bei dem Scheidungsurteil einer
Frankfurter Richterin, die sich unter anderem auch auf den Koran
berief (was nicht nur der Volksmeinung widersprach, sondern auch dem
Grundgesetz). Die Justiz korrigierte sich zwar schnell selbst, und
insofern kann man durchaus von einer "Selbstheilung des Systems"
sprechen. Wenn nun aber der Richterbund meint, Disziplinarmaßnahmen
gegen die Richterin seien übertrieben, im übrigen könne man von der
Politik mehr Solidarität erwarten, dann irrt er doppelt.
Da der Vorgang in Frankfurt nur die Spitze eines Eisbergs darstellt,
wäre es geradezu sträflich, wenn Politik und Justiz einfach zur
Tagesordnung übergingen. Hand in Hand haben gutmenschelnde
Relativisten beider Systeme jahrzehntelang den Weg in die
Parallelgesellschaft geebnet, indem sie unterschiedliche Maßstäbe
zuließen. Während Politiker wie Hans-Christian Ströbele forderten,
einen christlichen gegen einen islamischen Feiertag zu tauschen,
befreiten Richter muslimische Mädchen vom Sport- und
Schwimmunterricht und behandelten so genannte Ehrenmorde (was für ein
Begriff!) als Totschlag. All das ist und bleibt inakzeptabel.
Wie kommen wir eigentlich dazu, auch nur darüber nachzudenken, was
aus dem "Züchtigungsrecht" des Mannes gegenüber der Frau im
Koran-Vers 4,34 folgt? Die in der westlichen Zivilgesellschaft
erkämpfte Gleichstellung von Mann und Frau ist ein universelles
Menschenrecht und steht darum nicht gleichberechtigt neben anderen
Kulturentwürfen. Frauen zu züchtigen ist nicht nur "unserer Meinung
nach" Unrecht; es ist schlicht falsch, bei uns und überall auf der
Welt.
Multikulti-Toleranz ist gut und schön - innerhalb unserer Werte- und
Rechtsordnung. Zum Glück begreifen das immer mehr Politiker und
Richter. Wer das nicht begreift, gehört abgestraft - im Namen des
Volkes.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung