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Lausitzer Rundschau: Zu Frankreich/Proteste/Demonstrationen

Archivmeldung vom 22.03.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.03.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Dies- wie jenseits des Rheins ist der Abschied vom alten Sozialstaat ein schmerzlicher Prozess. Und doch sind die Reaktionen so unterschiedlich. Wenn Angst die Hoffnungen lähmt, rennt der Deutsche zur Sparkasse, der Franzose aber revoltiert. Wie weit dieser blau-weiß-rote Aufstand reicht, weiß heute keiner.

Aber er hat erhebliche Sprengkraft, er könnte im Gegensatz zum maßlosen Anstieg der Sparquote bei uns vielleicht doch wieder Hoffnung schaffen. Es steckt in diesen Momenten, in denen das Volk die Straße entdeckt in Paris und anderswo, immer etwas Absurdes. Tatsächlich hätte der Wegfall des Kündigungsschutzes dem einen oder anderen der unterprivilegierten Jugendlichen Frankreichs eine Chance eröffnet. Aber verbunden damit ist die Belastung der jungen Generation mit den Folgen der wirtschaftlichen Stagnation. Villepin, der schöngeistige, dichtende Ministerpräsident, hätte wissen können, womit er da spielt. Man präsentiert in Frankreich nicht der Jugend solch eine Rechnung als Mogelpackung.
Es scheint zunächst offenkundig, dass den Franzosen der Massenprotest genauso wenig nützt wie den Deutschen ihr Sparbuch. Das Europa, das sich vor wenigen Jahren noch stolz seiner sozialen Errungenschaften rühmte, hat nur in den skandinavischen Ländern einen halbwegs erträglichen Ausweg aus den modernen Fallen des Weltmarktes gefunden. Und die politische Klasse in Frankreich hat sich selten durch richtungsweisende Ideen ausgezeichnet.
Und doch steckt in dem Aufbegehren auch eine Chance. Es ist dies ja eine Revolte nicht nur getrieben von der Angst, sondern auch ein Aufstand gegen sie. Es ist etwas anderes als die Flucht vor der Zukunft durch überängstliches Vorsorgen um jeden Preis.
Politiker reagieren zumeist nur auf Druck. In Deutschland ist dies die Zwickmühle zwischen leeren Kassen und Arbeitslosigkeit. Das Ergebnis ist beides im Übermaß. Frankreich probiert die Revolte gegen dieses scheinbar unausweichliche Schicksal. Wir sollten hoffen, dass dabei etwas Neues, etwas Unerwartetes geschieht. Paris immerhin hat das, was man eine Revolution nennt, ja schon erlebt.

Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau

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