Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Europa
Archivmeldung vom 14.05.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin Schlagbaum löst keine Probleme, schafft aber viele neue. Wenn Dänemark die Reisefreiheit einschränken will, zeigt das einmal mehr, wie brüchig die Idee eines vereinten Europa zwischen Lappland und Gibraltar geworden ist. Es ist ja keineswegs so, dass Scharen von Kriminellen damit drohen, das Land zwischen Nord- und Ostsee auszurauben. Das große Problem sind nicht Diebe oder Gewalttäter, sondern die in diesem Jahr anstehenden Parlamentswahlen.
Insbesondere die rechtspopulistische Dänische Volkspartei (DF), die die Minderheitsregierung aus der rechtsliberalen Venstrein und der Konservativen Volkspartei stützt, will mit mehr Abgrenzung punkten. Und so wird die Angst vor Lohndumping, Massen von illegalen Einwanderern und einer angeblich ausufernden Kriminalität geschürt. Die angekündigten Kontrollen dürften nur die Ausnahme bleiben. Die EU-Kommission hat bereits mit einem Verfahren gedroht, wenn jeder Urlauber an der Grenze zu Dänemark seinen Ausweis zücken müsste. Es ist derzeit einfach, mit einer Gegnerschaft zur EU und ihren Werten zu punkten. In Helsinki hat die Partei »Wahre Finnen« mit ihrem Nein zum Euro-Rettungspaket als einzige Partei die Zahl ihrer Mandate steigern können. Die italienische Lega Nord möchte das Land am liebsten mit einer Mauer teilen, um die Menschen aus dem armen Süden aus dem reicheren Norden fernzuhalten. Das reicht, um seit Jahren an der Regierung beteiligt zu sein. Zu verteilen gibt es auch in Dänemark immer weniger. Wenn schon der lieb gewonnene Wohlfahrtsstaat eingeschränkt werden muss, dann sollen besonders die Zuwanderer unter dem Sozialabbau leiden. Mit diesem Feindbild sollen Wahlen gewonnen werden. Die innere Sicherheit in Dänemark wird sich nicht Grenzkontrollen verändern. Und was hat die Europäische Union damit zu tun? Sie wird wie immer zum Sündenbock für Euro-Krise, Flüchtlingsproblem und für jedes Unwetter in der Welt gemacht. Es ist nicht das grenzenlose Europa allein, was es zu verteidigen gilt. Kein EU-Land profitiert so von der Zoll- und Handelsunion sowie von der Gemeinschaftswährung Euro wie Deutschland. Immer mehr Länder in Europa haben sich Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf ihre Fahnen geschrieben. Möglicherweise wird das vereinte Europa nie verwirklicht. Zu oft versuchen die Regierungen ihr Heil in nationale Alleingänge zu suchen. Heute fehlen Menschen wie François Mitterand und Helmut Kohl, die Visionen für Europa aufzeigen. Sie würden für die Idee Europa kämpfen. Bei allen Konstruktionsfehlern - was ist die Alternative zur EU? Es gibt keine. Deutschland lebt seit mehr als 65 Jahren im Frieden mit seinen Nachbarn. Das hat es nie zuvor gegeben.
Quelle: Westfalen-Blatt