Rheinische Post: Böhmers Erkenntnis
Archivmeldung vom 25.02.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWenn Wolfgang Böhmer eine "leichtfertigere Einstellung zum werdenden Leben" in den neuen Bundesländern feststellt, dann spricht hier kein Blinder von der Farbe, sondern ein Augen- und Ohrenzeuge von selbst Erlebtem: Böhmer war zu DDR-Zeiten Frauenarzt, hat also den bedenkenlosen Umgang mit dem Recht auf Leben zu Beginn des Lebens noch bestens in Erinnerung.
Dennoch taugt sein Erklärungsversuch im Jahr 19 nach dem Mauerfall nicht viel. Die heutigen Täterinnen waren damals Kinder. Es steht zu erwarten, dass Böhmer wie sein Parteifreund Schönbohm vor zwei Jahren bald ebenfalls ein "Sorry, war nicht so gemeint" nachlegen wird. Auch Schönbohm hatte einen Grund für die Häufung von Kindstötungen im DDR-Erbe entdeckt. Seine These von der "erzwungenen Proletarisierung" griff ebenfalls zu kurz. Die DDR ist Geschichte. Gegenwart in Deutschland ist jedoch die unerträglich hohe Zahl von Spätabtreibungen. Es wird befürchtet, dass im Schnitt jeden Tag ein Kind im letzten Schwangerschaftsdrittel abgetrieben wird, das eigentlich schon lebensfähig wäre. Vermutlich werden sich die Empörungs-Rituale auf Böhmer konzentrieren und den eigentlichen Skandal achselzuckend links liegen lassen.
Quelle: Rheinische Post (von Gregor Mayntz)