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Bitter notwendig

Archivmeldung vom 25.06.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.06.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Daimler, BMW und Volkswagen haben stets betont, alle wichtigen Technologien in ihren Autos selbst beherrschen zu wollen. Schon in der Vergangenheit war dies ein Anspruch, dem sie nicht immer gerecht wurden - da reicht schon der Blick auf den Dieselskandal. Mit den zahlreichen neuen Themen wie Digitalisierung, autonomes Fahren und Elektromobilität wirkt der Anspruch noch vermessener.

Daimler gesteht mit der aufgelösten BMW-Kooperation und der engen Technologiepartnerschaft mit dem US-Grafikchipproduzenten Nvidia nun ein, dass man selbst bei essenziellen Teilen des künftigen Automobils mit branchenexternem Know-how besser fährt. Zwar erklärte Daimler- und Mercedes-CEO Ola Källenius weiter, dass es ein eigenes Mercedes-Betriebssystem geben werde, in das sich die Nvidia-Lösung perfekt integrieren lasse. Jensen Huang, Gründer und CEO von Nvidia, ließ aber keinen Zweifel an seiner starken Position in der Kooperation: Prozessor, Systemsoftware, KI-Plattform, Datentransfers und Over-the-Air-Updates - Nvidia soll künftig überall mitmischen.

Im Infotainment-Bereich haben die Kalifornier Daimler mit MBUX zu einem Quantensprung verholfen. Nun vertraut Källenius darauf, dass dies auch bei autonomem Fahren und der Software-Architektur gelingen kann. Allerdings ist der Rückstand auf Rivalen wie Tesla offenbar gewaltig. Ab 2024 soll die neue Hardware-Software-Lösung in jeden Mercedes eingebaut werden und diesen damit umfänglich für Softwareaktualisierungen im Hintergrund öffnen. Der Zeitplan ist ambitioniert angesichts der üblichen Entwicklungszyklen in der Automobilindustrie. Und doch ist Daimler spät dran.

Zum Überholvorgang kann nur ansetzen, wer den Gegner in Sichtweite hat. Das gilt in Bezug auf die Softwarearchitektur und Tesla derzeit nicht. Die anderen deutschen Hersteller haben indes keinen Grund, den heimischen Konkurrenten zu belächeln. VW hat gerade erst eine eigene Softwareeinheit unter dem Dach der Konzernmutter gegründet. Am Erfolg der Eigengewächse darf gezweifelt werden - nicht nur wegen der Softwareprobleme bei ID.3 und Golf 8. BMW hat zwar ein üppiges Software-Update Over the Air ausgeliefert. Allerdings waren die Autos während der 20-minütigen Aktualisierung unbenutzbar. Bei Tesla läuft so etwas im Hintergrund.

In der Digitalisierung fährt die deutsche Autoindustrie hinterher. Dass es einen starken, gleichwertigen Partner braucht, war für Daimler sicher eine bittere, in jedem Fall aber eine notwendige Erkenntnis.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Sebastian Schmid

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