Neues Deutschland zum S-Bahn-Chaos in Berlin
Archivmeldung vom 04.01.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Berliner Verkehrsbetriebe streichen das S-Bahnangebot aus ihrem Online-Service, Außenbezirke sind abgeschnitten, leere Bahnhöfe zieren nur einsame Schilder: »Hier kein Zugverkehr.« Doch nein, es sind nicht Hochwasser und Orkan, die die Berliner S-Bahn von den Gleisen spülen. Was vor anderthalb Jahren begann, ist ein von Menschenhand gemachtes - man mag es gar nicht mehr Chaos nennen - Trauerspiel.
Die Möchtegernmetropole Berlin taut langsam aus den Schneemassen wieder auf, und mit den Schneebergen schmolz auch der Bestand der einsatzbereiten Waggons dahin. Nur um nun, wie es den Anschein hat, auf niedrigem Niveau festzufrieren. Die täglichen Meldungen dazu betrachtet der Berliner so widerwillig wie die Schicht des vor Böller-, Zigaretten- und Köterfäkalienschmutz starrenden grauen Eises, das ebenso schockerstarrt die alltägliche Bewegung durch Berlin zusätzlich erschwert. Doch ob Todesanzeige in der Tageszeitung oder Irrgartenspiel im Videotext: Der Berliner nimmt das andauernde S-Bahn-Debakel mit schwarzem Humor - und Gleichmut. Denn wenn er die dreifache Zeit von A nach B benötigt, dabei x-mal umsteigen muss und zwischendurch dem siebten hilflosen Touristen weiterhilft, vergeht auch dem schnoddrigsten Hauptstädter die Lust am Schimpfen.
Quelle: Neues Deutschland