Leipziger Volskzeitung zum Tag der deutschen Einheit
Archivmeldung vom 04.10.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm Tag der Einheit, recht willkürlich auf den 3. Oktober gelegt, quälen stets dieselben Fragen die deutsche Seele: Ist es immer noch mehr, was Ost- und Westdeutsche trennt als sie verbindet? Ist die innere Einheit an unterschiedlichen Lebensverhältnissen gescheitert? Notorische Nörgler und die, die mit Spaltpilzen ein politisches Süppchen kochen, werden laut ja rufen.
Doch trotz aller Schmerzen des Zusammenwachsens und
Gestaltungsfehlern: Die Vereinigung von Bundesrepublik und DDR ist
stark überwiegend ein Erfolg, ohne Beispiel in der Geschichte.
Während die koreanische Wiedervereinigung trotz erster Schritte über
die Demarkationslinie am 38. Breitengrad noch länger auf sich warten
lässt und wegen der Dauer der Trennung und der eklatanteren
wirtschaftlichen Unterschiede noch schwieriger zu bewältigen sein
wird als die deutsche, wäre hierzulande mehr Gelassenheit und Demut
vor dem Erreichten angebracht. Auch wenn Lohnunterschiede spürbar
bleiben und die Abwanderung zu westlichen Arbeitsplätzen anhält.
Natürlich: Kaum jemand hat damit gerechnet, wie lange es dauert, die
ökonomischen Schäden zu beseitigen, die 40 Jahre realer Sozialismus
hinterlassen haben. Wahr ist aber auch: Wirtschaftsgrenzen verlaufen
nicht mehr nur zwischen West und Ost. Im Vergleich zu Gelsenkirchen
oder Lüchow-Dannenberg haben Dresden, Leipzig oder Jena glänzende
Perspektiven. Aber Frankfurt/Oder oder Magdeburg geht es schlechter
als München und Düsseldorf. Aufbau-Minister Tiefensee verweist zu
recht auf östliche Leuchtturmregionen. Auch der Westen teilt sich
immer stärker in Leuchttürme und trostlose Kohlen-Keller-Gebiete.
Ganz Deutschland hätte es leichter, müsste es sich nicht für die
Globalisierung rüsten. Wenn Thüringens Ministerpräsident Althaus
demonstrativ blühende Landschaften ausmacht, die Helmut Kohl einst
prophezeite, setzt er ein Zeichen gegen die Miesmacherei, die sich
gelegentlich ausbreitet. Klar zu erkennen sind aber auch vertrocknete
Gärten in der Fläche, isoliert von den Boomregionen. In West und Ost
wird man entscheiden müssen, wie viel Subventionen in Zukunft noch
dorthin fließen sollen.
Ein Einheitsdenkmal, wie es Bundestagspräsident Lammert vorschlägt,
wäre ein wünschenswertes Signal gegen verstaubte, rückwärts
gerichtete Debatten. Aber vielleicht hätte man in Berlin einfach
einige hundert Meter Mauer mehr als Mahnmal stehen lassen sollen,
anstatt jetzt Erinnerung neu zu erfinden - garantierter
Historikerstreit inklusive. Wenn Kanzleramtsminister De Maizière
fordert, nicht mehr in neue und alte Bundesländer zu unterscheiden,
klingt das wegen der aufweichenden Unterschiede plausibel. Aber sind
die Deutschen mental schon so weit, auf alle Statistiken zu
verzichten, die Unterschiede zwischen Ost und West plakativ
hervorheben? De Maizières Vorschlag kann einen Prozess des Umdenkens
und der Normalisierung einleiten, der rund zwei Jahrzehnte nach dem
Mauerfall überfällig ist. Unlogisch ist es jedoch, wenn De Maizière
zugleich die Abschaffung des deutsch-deutsche Unnormalität
suggerierenden Solidaritätszuschlags ablehnt. Will die Große
Koalition die Bürger weiter wie bisher abkassieren, muss sie sich
ehrlich machen - und die sonstigen Steuersätze erhöhen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung