WAZ: Ein mutiger, später Schritt
Archivmeldung vom 12.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Contergan-Skandal wird nach 50 Jahren noch einmal ganz von vorne diskutiert. Die Medien hatten als vierte Gewalt schon schlechtere Tage. Nur ist es stets aufs Neue beschämend, dass erst ein Jahrestag her muss, um einen vergessenen Skandal zurück ins Gedächtnis zu rufen.
Dass der Contergan-Hersteller Grünenthal nach so langer Zeit
tatsächlich noch einmal in die Defensive gerät, hat er sich zu einem
Gutteil selbst zuzuschreiben. Angesichts tausender Menschen, die
benachteiligt zur Welt kamen und als Erwachsene von einer
Mini-Opferrente und Hartz IV leben, wirkt es penetrant, die Unschuld
des Konzerns im juristischen Sinne zu betonen.
Wie sehr sich Grünenthal an den Freispruch vor Gericht geklammert und dabei die Menschen aus den Augen verloren hat, zeigte das Eingeständnis des Firmenchefs, noch nie einem Contergan-Opfer begegnet zu sein. Dass Wirtz dies nun nachholen will, ist ein mutiger Schritt. Noch mutiger wäre es gewesen, den Medien mit einem solchen Schritt zuvorzukommen. Gegen einen Boykott-Aufruf hilft am ehesten Glaubwürdigkeit. Da hat Grünenthal noch einigen Nachholbedarf.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung