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Börsen-Zeitung: Stupid Isolation, Kommentar zum Brexit

Archivmeldung vom 06.10.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.10.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Ein halbes Jahr nachdem die britische Premierministerin Theresa May den Brexit-Prozess eingeleitet hatte und nach null Fortschritten bei den bisher vier Verhandlungsrunden liegen die Nerven bei der hiesigen Industrie blank.

Zwar haben primär die Briten die Nachteile der vom Volk gewünschten "Splendid Isolation" zu tragen. Doch bei einem wechselseitigen Bestand an Direktinvestitionen von über 140 Mrd. Euro und gut 400000 Menschen, die in deutschen Firmen im Vereinigten Königreich arbeiten, ist auch die hiesige Industrie betroffen - die einen enormen Wertverlust ihrer britischen Aktivitäten bei einem harten Brexit befürchtet.

Natürlich verstaatlicht eine konservative Regierung keine ausländischen Fabriken. Aber schon heute beobachtet der Industrieverband BDI eine wachsende Ablehnung bei Mitarbeitern, in britische Werke zu wechseln. Weil die dortige Währung stark an Wert verloren hat und sich Arbeiten auf der Insel nicht mehr lohnt. Weil der Aufenthaltsstatus unsicher ist und keine Zukunft verspricht. Oder weil die zunehmende Fremdenfeindlichkeit abschreckt. Und da kaum lokaler Ersatz zu finden ist, drohen wachsende Produktionseinschränkungen.

Zudem befürchten nicht wenige Unternehmen, dass in Großbritannien gefertigte Produkte ab dem Wirksamwerden des ungeordneten, harten Brexit den Zugang zu Drittmärkten schlagartig verlieren. Bislang zählt die Fertigung auf der Insel als EU-Produktion und wird als Local Content gewertet, ohne den viele Länder Importe benachteiligen. Noch schlimmer sind die Auswirkungen aber für den allgemeinen gegenseitigen Warenaustausch, der sich allein zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich auf über 170 Mrd. Euro beläuft. Hier gelten die EU-Vorgaben als Standards und Normen, die Voraussetzung sind für länderübergreifende Wertschöpfungsketten.

Selbst der von der Chemieindustrie einst heftigst bekämpfte Chemikalien-Sicherheitsstandard Reach wird inzwischen als verbindlicher und damit zuverlässiger Maßstab für Importe und Produktion - auch über Ländergrenzen hinweg - genutzt. Gilt Reach von einem Tag auf den anderen nicht mehr, ist die britische Fertigung isoliert, freilich nicht splendid, sondern stupid. Bisher geschlossene Wertschöpfungsketten brechen so auseinander, die britischen Werke werden wertlos. Für eine Übergangszeit mögen die alten EU-Standards noch gelten und damit der jeweilige Verbund halten. Doch mit jeder Änderung in Brüssel gerät London immer mehr ins Abseits.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Ulli Gericke

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