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Westdeutsche Zeitung: Politbarometer

Archivmeldung vom 21.07.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.07.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Angela Merkel ist ein Faszinosum. Als Kanzlerin sitzt sie Konflikte lieber aus, statt sie per Machtwort zu beenden, und ähnelt damit im Stil Helmut Kohl. Doch bei ihr hat das Aussitzen nichts Bräsiges, es wirkt im Gegenteil charmant.

Zudem tänzelt sie mit souveräner Leichtigkeit durch EU-Gipfel oder Pressekonferenzen und lässt dabei Witzfiguren wie die Kaczynskis oder Journalisten, die abwegige Fragen stellen, auf hübsche Weise dumm aussehen. Kaum einer kann sich dem Sog der Sympathie entziehen. Nur: Bringt das Deutschland wirklich voran?
Natürlich ist es nicht einfach, Kanzlerin einer Großen Koalition zu sein. Die verfassungsrechtlich garantierte Richtlinienkompetenz verträgt sich nicht mit den Funktionsbedingungen eines solchen Bündnisses; ein "Durchregieren" ist praktisch unmöglich. Merkel bleibt kaum eine andere Möglichkeit, als sich aufs Moderieren zu beschränken. Aber wo steht, dass Moderation zwingend bedeutet, die Zügel schleifen zu lassen? Wenn das, was diese Regierung noch tut, ein wenig Qualität haben soll, wenn man dem Land weitere "Reformen" à la Gesundheitskompromiss ersparen möchte, dann bedarf es zweier Spielregeln.
Erstens: Die Großkoalitionäre hören damit auf, sich gegenseitig zu beleidigen. Roland Koch darf die SPD nicht mehr einen "Hühnerhaufen" nennen und die SPD Wolfgang Schäuble nicht mehr einen "Amokläufer".
Zweitens: Kabinettsmitglieder besprechen ihre Vorschläge erst in der Koalition, bevor sie damit an die Öffentlichkeit gehen. Daran muss sich die Union, die in den Umfragen immer mehr vom Kanzlerbonus profitiert, ganz besonders halten. Tut sie es nicht, zwingt sie die mit dem Rücken zur Wand stehende SPD dazu, nicht nur "Mist" zu machen (das ist Müntefering zufolge Opposition), sondern sogar "Obermist" (also Opposition in der Regierung).
Plisch und Plum - so hießen in der Großen Koalition 1966-69 die Minister Karl Schiller und Franz Josef Strauß. Ihnen wäre es nie eingefallen, sich öffentlich gegenseitig Ratschläge zu erteilen oder gar Unflätiges über den anderen zu sagen. Merkel sollte alle Minister auf das Plisch-und-Plum-Prinzip verpflichten und es im Verhältnis zum Vizekanzler auch selbst vorleben. Dann hätte sie die guten Noten, die sie derzeit bekommt, auch voll verdient.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung

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