FZ: Die Angst vor dem Wandel
Archivmeldung vom 08.05.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs muss sie in der Einsamkeit der Wahlkabine überfallen haben, als sie ganz mit sich und dem Stimmzettel alleine waren: die unheimliche Ahnung, dass ein Kreuz für die Liberaldemokraten vielleicht doch zu gewagt wäre. Dabei wünschten sich die Briten laut Umfragen den Wechsel. Der beispiellose Popularitätssprung der Liberaldemokraten im Wahlkampf geschah doch gerade, weil sie eine "andere Politik" versprachen. Doch dann bekamen die Briten es mit der Angst zu tun und verweigerten den Liberalen ein Mandat für deren Reformprogramm.
Anders ist es nicht zu erklären, dass die "LibDems" gerade einmal ein Prozent mehr an Stimmen einfuhren und jetzt dennoch weniger Abgeordnete als beim letzten Wahlgang stellen.
Dennoch macht sie das nur auf dem Papier zum Wahlverlierer. In der neu aufgemischten politischen Landschaft dürfen sie jetzt das Zünglein an der Waage sein. Denn die Konservativen sind zwar klarer Wahlgewinner, aber es reicht nicht für eine absolute Mehrheit. Und Nick Clegg, der Chef der Liberalen, hat bereits enthüllt, wem er das erste Zugriffsrecht auf die Macht zugestehen will. Die Konservativen, erklärte er, hätten sowohl den größten Stimmenanteil als auch die meisten Sitze.
Allerdings habe die Wahlnacht demonstriert, wie sehr das Mehrheitswahlrecht den Volkswillen verzerrt, setzte Clegg nach. Ohne eine "umfassende und wirkliche Reform des zerbrochenen politischen Systems" könne es keinen Weg vorwärts geben. Genau diese Forderung wird Tory-Chef David Cameron wohl die größten Bauchschmerzen bereiten. Eine Änderung hin zum Verhältniswahlrecht würde die Konservativen langfristig entscheidend schwächen. Gordon Brown scheint die Situation derweil zu genießen. Immerhin darf der Labour-Chef zunächst Premier bleiben.
Einen Wechsel wollten die Briten in dieser Wahl schon, aber bitte keinen zu radikalen. Jetzt haben sie eine Situation geschaffen, in der zumindest eines radikal anders ist: So schnell wie sonst werden sie nicht erfahren, wie die neue Regierung aussieht. Und die könnte am Ende anders ausfallen, als man es sich in der Wahlkabine vorstellte.
Quelle: Fuldaer Zeitung