Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum iPad-Start in Deutschland
Archivmeldung vom 27.05.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.05.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs sieht aus wie ein zu groß geratenes iPhone, Hersteller Apple nennt es »magisch und revolutionär«. Die Begeisterung der Anwender für Apples iPad ist riesengroß, die Hoffnungen der Medienbranche nicht minder. Die Verlage schrauben unter Hochdruck an Programmen, die Inhalte wie Texte, Bilder und Videos elegant miteinander verknüpfen.
Die Buchbranche setzt darauf, dass das »Riesen-iPhone« den schleppenden Absatz digitaler Bücher voranbringt. Film- und Fernsehindustrie hoffen auf einen neuen Vertriebskanal für Filme und Serien. Wo andere gescheitert sind, schickt sich Apple an, eine neue Geräteklasse für den Massenmarkt zu etablieren. Nur 700 Gramm schwer ist der Revoluzzer, der die Welt der Unterhaltungselektronik aufmischen will. Kein Starten eines Betriebssystems, kein langes Warten, statt dessen einschalten und loslegen: Auf jedes sanfte Streicheln reagiert die Software so prompt, dass es eine Wonne ist, der Akku präsentiert sich als echter Langläufer. Doch das iPad ist mehr als ein starkes Stück Technik: Es eröffnet neuen Gruppen den Zugang zum Internet und zu digitalen Medien. Als Apple-Chef Steve Jobs seinen jüngsten Streich, nach seinen Worten das Wichtigste, an dem er je gearbeitet hat, der Presse vorstellte, brachte es ein Fachjournalist auf den Punkt: »Das ist das ideale Gerät für meine Mutter.« Warum? Weil sie E-Mails verschicken und digitale Bilder der Enkel ansehen will, sich aber nicht mit den Tücken der komplizierten Computertechnik auseinandersetzen möchte. Die Hürden vor einem Besuch im Internet oder bevor die Urlaubsfotos online sind, waren bislang hoch - das iPad vereinfacht vieles. Auch als Lesegerät für elektronische Bücher macht es eine gute Figur. Besser noch: Zeitungen und Zeitschriften können jetzt Bildersammlungen und Videos zeigen oder Artikel mit Webangeboten ergänzen. Das iPad hat das Zeug, Lesergruppen zu halten, die sonst ins Internet abgewandert wären. Aber das iPad legt seinem Anwender auch Fesseln an. Apple allein entscheidet, welche Programme (Apps) laufen, der Anwender kann sich nicht alle Websites ansehen. Bei vielen Angeboten verdient Apple mit. Auch Verlage und Entwickler müssen parieren. Kontaktfreudig ist das iPad ebenfalls nicht: Gängige Anschlüsse fehlen. Nur über die Software iTunes kann das Gerät gefüttert werden. Steve Jobs bindet seine Jünger fest an den Konzern. Bill Gates wird sicher neidisch sein. Aber es gibt Alternativen, auf die sich zu warten sich lohnt. Vielleicht nicht so cool designt, aber auch nicht so teuer wie das iPhone, das erst ab 499 Euro zu haben ist. Das iPad wird dennoch Erfolg haben. So wie andere Vertreter dieser Geräteklasse, mit oder ohne Apfel-Logo. Diese Geräte haben die Chance, die digitale Gesellschaft zu beeinflussen. Weil sie den Umgang mit dem Internet einfacher machen. Allerdings kann man auch gut ohne iPad und Co. leben: Filme gibt's im Kino oder im TV, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften weiter auf Papier. Jetzt hat der Verbraucher die Wahl.
Quelle: Westfalen-Blatt