Lausitzer Rundschau: Bundesparteitag der SPD Seelenretter Beck
Archivmeldung vom 27.10.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEs war absehbar, dass die Parteien der Großen Koalition sich wieder auseinanderentwickeln würden, je näher Wahlen rücken. Die Frage war nur, wann und wie das Ende der Harmonie eingeläutet werden würde. Die SPD hat diesen Schritt nun in Hamburg getan. Auch, weil ihr Vorsitzender endlich Profil zeigen musste.
Die Sozialdemokraten hatten sich im Alltag des Regierens unter
Angela Merkel regelrecht verloren. Kurt Beck hat der SPD Seele und
Selbstbewusstsein zurückgegeben, indem er sie wieder auf einen
sozialen Kurs orientiert. Und deutlich von der Union abgrenzt. Es ist
kein Zufall, dass er diesen Kurs teilweise gegen die eigenen
Kabinettsmitglieder durchsetzen musste.
Aufschwung für alle, mehr Gerechtigkeit, das ist die große
politische Marktlücke der deutschen Politik. Beck hat sie entdeckt.
Es ist eine Marktlücke, die von den fleißigen, aber gefühllosen
Modernisierern aus allen Parteien hinterlassen worden ist. Der
Stillstand der Realeinkommen, die wachsende Schere zwischen Arm und
Reich, immer mehr prekäre Arbeitsverhältnisse, die mangelnde
Durchlässigkeit unserer Gesellschaft - all das ist bittere Realität
und braucht endlich politische Antworten. Es ist aber auch eine
politische Marktlücke, in der sich die Populisten tummeln, allen
voran die der Linkspartei.
Becks Ansatz ist zweifellos differenzierter als der von Lafontaine
und Co. Noch ist das kein Linksruck, was in Hamburg geschah, sondern
nur eine andere Akzentsetzung. Doch durchgesetzt hat Beck sie mit
einem höchst zweifelhaften Punkt: der Verlängerung der Bezugsdauer
des Arbeitslosengeldes I. Der Parteichef propagiert sie, obwohl er es
besser weiß. Denn gerade dieser Teil der Hartz-Reformen hat Wirkung
entfaltet. Insofern ist Becks Vorgehen an dieser Stelle auch
populistisch.
Aus Becks Sicht ist das jedoch der Preis dafür, die SPD wieder auf
Augenhöhe mit der Union zu bringen. Wenn es dabei bleibt und die
Substanz der Reformen nicht weiter angetastet wird, mag das noch
tolerierbar sein. Die Union wird das Spiel mitspielen, schon um Beck
sein Thema möglichst schnell wieder wegzunehmen. Unvernünftiges wurde
in der Geschichte zu allen Zeiten aus Gründen der politischen
Opportunität beschlossen.
De facto wurde in Hamburg der Wahlkampf eröffnet, der um wichtige
Länder im nächsten Jahr, aber auch schon der um die Macht im Bund im
Jahr 2009. Die zweite Halbzeit der Großen Koalition wird quälend
lange dauern.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau