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Börsen-Zeitung: Wenn die Angst Regie führt

Archivmeldung vom 15.03.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Zwei Worte reichen aus, um das aktuelle Geschehen an den Finanzmärkten zu beschreiben: schiere Angst. Niemand kann den Marktteilnehmern derzeit ernsthaft einen Vorwurf daraus machen, dass sie die stark gedrückten Kurse am Aktienmarkt nicht zum Einstieg nutzen, obwohl der Dax beinahe wieder die Tiefen vom Januar erreicht hat.

Denn die Flut negativer Nachrichten über die Finanzkrise, die längst über den engeren Subprime-Bereich hinausgewachsen ist, reißt einfach nicht ab. Im Gegenteil: Die Nachrichten werden immer beunruhigender. Kaum hatten die Anleger die existenzgefährdende Situation der Carlyle Capital Corp. verarbeitet und die Nerven hatten sich auch wieder ein wenig beruhigt, wurde ihnen zum Wochenschluss klargemacht, dass sich das System bereits am Rande der Katastrophe bewegt. Eine Wall-Street-Größe wie Bear Stearns benötigt bereits finanzielle Hilfe seitens JPMorgan und der New Yorker Fed. Kein Wunder, dass für eine Feinunze Gold jetzt mehr als 1000 Dollar zu zahlen sind.

Doch nicht nur die Frage, welche Leichen die Finanzindustrie noch im Keller hat, lähmt derzeit die Marktakteure. Wie schlimm werden die realwirtschaftlichen Auswirkungen einer Finanzkrise sein, von der gesagt worden ist, dass sie die Schlimmste in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg ist? Dass die USA bereits in der Rezession sind, bezweifelt kaum noch jemand. Die lange Kette enttäuschender Konjunkturdaten, darunter zuletzt die Einzelhandelsumsatzzahlen, spricht eine deutliche Sprache.

Dem langjährigen Bullenmarkt droht das Fundament wegzubrechen. Denn er speiste sich aus einem spektakulären Anstieg der Unternehmensgewinne. In einem bereits fortgeschrittenen Stadium des Zyklus stoßen diese jedoch seit Sommer 2007 auf durch die Subprime-Krise deutlich verstärkten Gegenwind. Sich verabschieden müssen die Akteure wohl auch von dem Gedanken, dass es anderen Regionen und insbesondere Euroland gelingen kann, sich von der US-Schwäche abzukoppeln. Dagegen spricht allein schon der Sturz des Dollar, der die Wettbewerbsfähigkeit des Euroraums erheblich beeinträchtigt. Dabei ist die Währung nur einer von mehreren Faktoren, die die Profitabilität belasten. Hinzu kommt die Hausse der Rohstoffe, insbesondere des Ölpreises, auch wenn der feste Euro die Folgen hier ein wenig abmildert.

Außerdem gibt es eine direkte Auswirkung der Kreditkrise. Es wird für die Unternehmen immer schwieriger, sich Kapital zu beschaffen, weil Banken und Investoren immer restriktiver werden. Vor allem aber sind die Risikoaufschläge geradezu explodiert, was die Kapitalkosten erheblich in die Höhe treibt. Ein Beispiel: Verglichen mit der Phase extrem niedriger Spreads, die noch bis vor weniger als einem Jahr bestand, muss eine Triple-B-Adresse für eine Anleihe im Umfang von 100 Mill. Euro jetzt eine jährliche Zinslast zwischen 1,7 und 2 Mill. Euro zusätzlich schultern.

Dem oft bemühten Rothschild-Satz: "Kaufen, wenn die Kanonen donnern" folgend, könnten die Mutigen nun versucht sein, den Einstieg in Dividendentitel zu wagen. Schließlich erreichen Aktienkurse dann ihr Tief, wenn die Nachrichtenlage am schwärzesten erscheint. Auch ist die Bewertung beispielsweise deutscher Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis des Dax auf Basis der Schätzungen für nächstes Jahr von 10 bereits so niedrig, dass auf dem aktuellen Kursniveau selbst bei substanziellen Reduzierungen der Ergebnisprognosen noch eine günstige bis moderate Bewertung vorliegen würde. Zahlreiche Einzeltitel sind bereits derart heruntergeprügelt worden, dass es dem passionierten Schnäppchenjäger in den Fingern jucken muss.

Engagements am Aktienmarkt sollten jedoch allenfalls in begrenztem Umfang und auch nur sehr selektiv eingegangen werden. Denn ein Markt, in dem die Angst Regie führt, ist auch auf bereits sehr stark gedrücktem Niveau noch für kräftige weitere Kursrückschläge gut. Außerdem muss der Bear-Stearns-Schock noch lange nicht das letzte Wort gewesen sein.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Christopher Kalbhenn)

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