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WAZ: Essen wird Kulturhauptstadt:

Archivmeldung vom 12.04.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.04.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Essen wird es! Hurra, getrommelt und gepfiffen! Und, hat irgend jemand daran gezweifelt? O ja, daran musste man leider durchaus zweifeln. Görlitz war nicht nur auf andere Weise stark – das Ruhrgebiet hat sich in der Vergangenheit manche Blöße gegeben. Doch, auch im Augenblick des Jubels kann es nicht schaden, an alte Sünden zu erinnern. Bei den Ruhrfestspielen, am Konzerthaus Dortmund stand nicht immer alles zum Besten.

Jetzt ist die Zeit des Feierns. Das Ruhrgebiet hat gekämpft und großartig gesiegt. Wenn aber das Feiern vorüber ist (und es sollte nicht zu knapp ausfallen), dann muss die Arbeit anfangen. Sie wird hart und zäh und störrisch sein müssen, sie wird viel Energie verschlingen und viel Geld sowieso. Aber es wird sich lohnen. Kultur darf im Ruhrgebiet nicht länger Rahmenprogramm sein, sie muss Inhalt werden wie in Paris oder London, aber auf ihre unvergleichliche Weise: Hier gibt es eine Konversion der besonderen Art. Wo heute Kunst ist, war früher Arbeit. Das haben wir exklusiv, das können wir gar nicht hoch genug hängen.

Erstmal gilt: durchatmen und glücklich sein. Aber damit ist es nicht getan. Jetzt muss es losgehen, jetzt muss angepackt werden, damit die Kultur in der Region auch über 2010 hinaus ihren eindeutigen Ort, einen unverwechselbaren Charakter bekommt. Wir haben unsere Festivals, die traditionsreichen Ruhrfestspiele, das Klavier-Festival Ruhr, die junge, energiesprühende Ruhr Triennale. Schon jetzt kommen Besucher auch aus dem angrenzenden Ausland, und es werden noch mehr, wenn sich erst herumspricht, welch exquisite Kunst hier zu bestaunen ist. Die Festivals müssen gepflegt und stark verankert werden.

Zum Programm der Kulturhauptstadt muss es aber auch gehören, alles andere entschieden zu fördern. Die freie Szene muss aufleben, Museen und Stadttheater müssen unterstützt werden und die Stadtbüchereien und Jugendkunstschulen ebenso. Es muss eine starke Entwicklung einsetzen, die jeden Zweifel vergessen lässt, dass die Region den Titel verdient hat und ihn zu gebrauchen weiß – als Schlüssel zu einer Zukunft, in der das fatale Image einer alten Dreckschleuder weggefegt ist.

Das ist zu hoch gegriffen? Nein, eher zu niedrig. Das Ruhrgebiet hat hier eine einmalige Chance, sich nach innen und nach außen als attraktive Region zu erweisen. Es muss sie nutzen, und es wird sie nutzen.

Die Welt soll staunen. Ein vorrangiges Ziel muss aber auch sein, die Menschen mitzunehmen, ihnen zu zeigen, dass sie es sind, die von der Kulturhauptstadt profitieren. Dass Kunst mehr ist als ein netter Abend mit einem Gläschen Sekt dazu. Kunst kann bewegen und verändern und lange fesseln: Das muss vermittelt werden, wenn aus der Kulturhauptstadt keine Knallerbse werden soll. Keine Frage. Wir schaffen das.

Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Allgemeine Zeitung

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