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Lausitzer Rundschau: Stark im Wohlfühlen

Archivmeldung vom 22.11.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.11.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Zeitgeist ist grün. In den demoskopischen Befunden bricht die Öko-Partei immer neue Sympathie-Rekorde. Gleich zwei Regierungschef-Posten, die in Stuttgart und in Berlin, scheinen für die Grünen zum Greifen nah. Kein Zweifel, die einst belächelten Bannerträger der Sonnenblume stellen die politische Welt auf den Kopf. Woher rührt der unverhoffte Aufschwung, und wie wollen die Grünen damit umgehen?

Der Bundesparteitag in Freiburg wäre der passende Ort gewesen für eine erschöpfende Grundsatzdebatte zum grünen Selbstverständnis. Dass es nicht dazu kam, hat mit einer seltsamen Beklommenheit über die eigene Stärke zu tun. Die alte und neue Parteispitze reklamierte nur, dass die Grünen fortan eine Politik "für alle" machen müssten. Was das wirklich heißt, darüber gaben sie keine Auskunft. Zweifellos erklärt sich der grüne Erfolg nicht allein aus dem schwarz-gelben Niedergang oder einer schwachbrüstigen SPD. Vielmehr sind die grünen Ur-Themen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wer ist nicht für den Schutz der Umwelt oder eine saubere Energie? Hier haben sich die Grünen über viele Jahre hinweg Kompetenz und Glaubwürdigkeit erarbeitet. Am überzeugendsten waren sie freilich immer in der Opposition und im Straßenprotest. Die Sitzblockaden in Gorleben und der Kampf gegen das Bahnprojekt in Stuttgart haben diesen Nimbus neu belebt. Umso größer droht nun der Spagat zu werden, der sich aus der gewachsenen politischen Bedeutung der Grünen ergibt. Was, wenn ein grüner Landesvater in Baden-Württemberg am Ende doch den verhassten Untergrundbahnhof akzeptieren muss? Oder eine grüne Landesmutter in Berlin weitere Sparmaßnahmen im Sozialbereich? Überhaupt wird man die Grünen künftig nicht nur an ihren ökologischen Konzepten messen. Einstweilen sind sie stolz darauf, auch die eigene Gutverdiener- Klientel mit Zumutungen zu überziehen. In Freiburg wurden eine Anhebung der Krankenkassenbeiträge für höhere Einkommen und eine Ausdehnung der Gewerbesteuer auf Freiberufler beschlossen. Was wird davon bleiben, wenn die Grünen 2013 im Bund wieder mitregieren? In Freiburg waren die Grünen nur stark im Wohlfühlen. Anstatt über Konsequenzen aus ihrer gewachsenen Rolle zu streiten, zelebrierte man unstrittiges Gedankengut. Eine Politik "für alle" würde bedeuten, auch nach allen Seiten kompromissfähig zu sein. Das zu berücksichtigen und gleichzeitig anders zu bleiben, wird bei den Grünen noch für Zündstoff sorgen. Mehr politische Stärke bedeutet auch mehr Verantwortung. Darauf ist die Partei nicht eingestellt.

Quelle: Lausitzer Rundschau

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