Standpunkte: Geistige Neuausrichtung in der Arabischen Welt
Archivmeldung vom 07.03.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.03.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttVor allem junge Menschen, in der arabischen Welt immer noch die Mehrheit, haben von den Revolten in ihren Ländern kaum profitiert. Einige haben sich radikalisiert, andere denken an Auswanderung, andere werden ökonomisch initiativ. Rezente Umfragen ergeben Erstaunliches: Immer mehr Menschen distanzieren sich in der arabischen Welt von Religion, aus verschiedenen Gründen, wie hier analysiert.
Während des arabischen Frühlings gingen Millionen Menschen auf die Straße, vor allem junge. Denn viele sind arbeitslos oder arbeiten unter prekären Bedingungen. Nach diesen Umbrüchen vor rund 10 Jahren sind die meisten enttäuscht. Sie haben Krieg und Repression erlebt und spielen mit dem Gedanken, sich anderswo eine Zukunft aufzubauen. Ist der arabische Frühling aus Sicht der Jugend gescheitert?
Die arabische Welt ist jung
In vielen dieser Länder sind mehr als die Hälfte der Menschen jünger als 24 Jahre alt. Die Chancen auf Arbeit stehen schlecht. Eine Gefahr, weil viele junge Männer in den Dschihad ziehen, oder ein Risiko für Europa, weil viele junge Leute die Flucht wagen? Oder eine Katastrophe für die Region, weil nur die jungen Menschen ihre Heimat umkrempeln könnten. Im Jemen etwa, sind über 70 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahre alt; und selbst im Katar – dem arabischen Land mit der ältesten Bevölkerung – sind noch über 40 Prozent in dieser Altersgruppe. Die anderen arabischen Länder liegen irgendwo dazwischen. Zum Beispiel Syrien mit 66 Prozent, Jordanien mit 62 Prozent oder Tunesien mit 51 Prozent.
Sarah Arbi, Unternehmerin aus Tunesien sagt hierzu: „Wir haben unsere Türen für viele junge Leute geöffnet, die an irgendeinem Punkt von hier weg wollten. Denn hier gibt es keinen Platz für Träume, Wandel oder was auch immer. Also wollen sie das Land verlassen“. Arbi kennt die Sorgen junger TunesierInnen gut. Arbeit ist hier auch Jahre nach der Revolution nur schwer zu finden. Der Frust ist entsprechend groß. Mit ihrem Marketingunternehmen in der Hauptstadt Tunis schafft Arbi zwar Jobs, doch Initiativen wie ihre sind nur ein Tropfen auf den heißen Steinen.
„Wir müssen weiter gegen Armut kämpfen, gegen Arbeitslosigkeit. Wir müssen Tunesien wieder ins Rennen um wirtschaftliche Entwicklung schicken, weil Tunesien mit anderen Ländern um Investoren, Touristen und Besucher konkurriert“, so der tunesische Ökonom Hichem Elloumi. Er spricht aus, was vor allem jungen TunesierInnen auf dem Herzen liegt: die fehlende Aussicht auf eine gesicherte Existenz.
Wer keine Hoffnung in seiner Heimat sieht, den zieht es woanders hin: etwa nach Europa
Viele AraberInnen haben ihre Freunde fortziehen sehen. Es überrascht nicht, dass eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation eine Kernforderung der DemonstrantInnen des Arabischen Frühlings war. Fakt ist, in den Jahren vor den Protesten stiegen die Lebenshaltungskosten in fast allen Ländern der Region deutlich. Gleichzeitig waren Quoten von 20 Prozent Jugendarbeitslosigkeit keine Seltenheit. Und entsprechend hoch war der Anteil derjenigen, die unterhalb der Armutsgrenze lebten. Bei der Willkür der Behörden, Korruption und der starken Einschränkung politischer Rechte wie Rede- und Demonstrationsfreiheit, wuchs die Wut stetig. Besonders bei denjenigen, die ihr ganzes Leben vor sich haben. Die gemeinsame Stimme als Vermächtnis...weiterlesen hier.
Quelle: KenFM von Hanan Abdul Razak