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Atemübung

Archivmeldung vom 19.07.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.07.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Wie gewonnen, so zerronnen - der Gedanke drängt sich beim Blick auf die Quartalszahlen der US-Banken auf. Wo binnen Jahresfrist noch sprudelnde Erträge im Investment Banking für Rekordgewinne sorgten, herrscht nun Tristesse. Bereits in der vergangenen Woche hatte J.P. Morgan Chase einen Rückgang des Nettohalbjahresgewinns um 35 Prozent ausgewiesen, Morgan Stanley um 19 Prozent und Citigroup um 37 Prozent. Am Montag setzten Goldman Sachs (minus 44 Prozent) und Bank of America (minus 34 Prozent) das Trauerspiel fort. Die Profitabilität der US-Banken hat ihren Zenit vorerst überschritten.

Im Unternehmenssektor hat es sich wegen des sich verschiebenden Zinsumfelds erst einmal weitgehend ausfusioniert, was vor allem die Investmentbanker schmerzlich zu spüren bekommen. Da niemand weiß, wie weit die Notenbanken gehen müssen, um der mit Macht zurückgekehrten Inflation Einhalt zu gebieten, werden bis auf Weiteres wohl nur wirklich zwingende Transaktionen umgesetzt. Wie lange dazu noch Firmenkäufe durch Private-Equity-Fonds zählen, wird interessant zu beobachten sein. Hier steht dem noch im Zinstief mangels lukrativer Anlagealternativen entstandenen An­lagedruck der Fonds das Problem der Banken gegenüber, die in der Branche üblichen Finanzierungsmodelle zu stemmen. Mit der Rückkehr der Risikobepreisung steigt schließlich ihr Risiko, auf gehebelten Krediten sitzenzubleiben. Die naheliegende Reaktion, mit kleinerem Hebel zu arbeiten, schmälert die Lukrativität der Deals, so dass über kurz oder lang auch hier mit einem Stillstand zu rechnen ist.

Die aktuellen Geschäftszahlen jedoch spiegeln diese mauen Aussichten nur zum Teil wider. Die zweistelligen Einbrüche reflektieren in erster Linie die Entwicklung der Risikovorsorge. Hatten die fünf großen Wall-Street-Banken im ersten Halbjahr 2021 dank der unerwartet schnell eingetretenen Konjunkturerholung nach dem Coronaknick noch insgesamt 13,4 Mrd. Dollar an Rückstellungen aufgelöst, legten sie in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mit 6,4 Mrd. Dollar fast die Hälfte davon wieder auf die hohe Kante, um sich gegen den mit zunehmender Rezessionsgefahr und steigender Inflation wahrscheinlicher werdenden Anstieg der Kreditausfälle zu wappnen. Diese Art der Atemübung ist bei jeder sich anbahnenden Krise besonders in den USA zu beobachten. Sie kann die Auswirkung externer Schocks auf den Aktienkurs mildern und damit die Gefahr eines technisch getrie­benen Ausverkaufs reduzieren. Genau darum dürfte es den US-Banken­ gehen.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Anna Sleegers

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