WAZ: Ein Tritt gegen den Anstand
Archivmeldung vom 23.12.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Fußball wird gern von Fairness gesprochen, der Wert der Sportlichkeit gepredigt und entsprechenden Gesten der Aufrichtigkeit gehuldigt. Es werden Fairplay-Preise verliehen - und die Jury dürfte immer aufs Neue froh sein, wenn sie einen würdigen Preisträger findet. Wenn der Fußball ein Spiegelbild des normalen Lebens ist, wenn die dumpfe Gewalt auf den Rängen auch Ausfluss einer gestörten Gesellschaft ist, warum sollte es auf dem Rasen anders zugehen?
Was echauffiert uns so über den Tritt des Jermaine Jones? Gewiss: Es hat im Fußball stets Unsportlichkeiten gegeben. Es gibt absurde Schwalben (einst Möller, jüngst Robben), üble Tritte, Ellbogenschläge, fiese Nickeligkeiten und natürlich das hoch gelobte "taktische Foul". Über Jahrzehnte wurde das Führungsspielertum gepriesen, zu dem auch gehört, mal einen Gegenspieler über die Bande zu grätschen, um sich "Respekt zu verschaffen". All' das wird es im Kampfsport Fußball weiter geben. Aber der Jones-Tritt war keine branchenübliche Gemeinheit, er war in seiner erkennbaren Vorsätzlichkeit bar jeden Affekts ein übler Tritt gegen den Anstand, einzig übertroffen noch von der Unfähigkeit, sich direkt anschließend zu entschuldigen. Es hätte nichts verharmlost, aber es hätte sich vielleicht das Gefühl eingestellt, dass da jemand reut und Buße tut. Andererseits: Womöglich hätte ihn dann jemand für den Fairplay-Preis nominiert.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (ots)