Westdeutsche Zeitung: Bahn-Privatisierung
Archivmeldung vom 03.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVerspätungen und Ausfälle von Zügen, alte Waggons, eine mangelhafte Informationspolitik, Herbst-Chaos wegen Laub auf den Schienen - Nahverkehrspendler sind in den vergangenen Jahren von der Deutschen Bahn AG nicht gerade verwöhnt worden. Wer sich auf die Bahn verließ, war oftmals verlassen.
Unter diesen
Voraussetzungen scheuten viele den Umstieg vom Auto auf den
öffentlichen Nahverkehr, und man kann es ihnen auch kaum verdenken.
Zu dem Frust über mangelnden Service und steigende Preise gesellte
sich der Verdacht, die Bahn wolle sich durch Einsparungen für einen
Börsengang hübsch machen.
Dass nun mit der seit langem geplanten Privatisierung des
Unternehmens und dem dann fließenden frischen Geld von Investoren
plötzlich alles besser werden soll, daran haben Verbraucherverbände,
Bürger und Bundesländer zu Recht ihre Zweifel. Die Bahn wird nach
einer Teilprivatisierung erst recht zu wirtschaftlichem Handeln
gezwungen sein, ihre neuen Geldgeber wollen Gewinn sehen. Zugleich
kann das Unternehmen mit der Macht über die Schienen ungeliebter
privater Konkurrenz das Leben schwer machen und damit ihre Position
als Quasi-Monopolist ausbauen. Der Druck, im Wettbewerb mit besserem
Service und besseren Preisen zu punkten, entfällt. Was liegt da
näher, als den unrentablen Nahverkehr weiter auszudünnen und stärker
in den lukrativen Fernverkehr zu investieren?
Gerade Flächenländer wie Nordrhein-Westfalen müssen solche Szenarien
fürchten. Sie fühlen sich in die Zange genommen, wenn einerseits der
Bund seine Mittel für den Nahverkehr kürzt und sie andererseits
notfalls mit Landesmitteln einspringen müssen, um wenig
frequentierte, aber notwendige Strecken aufrecht zu erhalten.
Nicht umsonst setzen privatisierungskritische Verbraucherverbände auf
den Widerstand der Landesregierungen als letztes Mittel, um den
faulen Kompromiss über den Bundesrat noch zu stoppen. Der Zug ist für
die Bahn noch lange nicht abgefahren - und das ist gut so. Für ein
Gesetz, das dem Unternehmen nützt, den Kunden aber Nachteile bringen
kann und den Steuerzahlern Risiken aufbürdet, dürfen die Weichen
nicht gestellt werden.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung