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Neue OZ: Kein Unschuldslamm

Archivmeldung vom 03.05.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.05.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

So berechtigt Kritik an ukrainischen Missständen ist: Ein Stück weit bleibt die Debatte scheinheilig. Dass dort Menschen leiden, und zwar auch schlimmer und unbescholtener als Julia Timoschenko, ist keine neue Erkenntnis. Die EM sollte trotzdem dort stattfinden, und es gab Gründe dafür. Nun aber präsentiert sich die einstige politische Hoffnungsträgerin des Landes wie des Westens im unmittelbaren Vorfeld der Veranstaltung geschickt als Opfer eines Systems, dem sie lange angehörte, und erzielt die kalkulierte Wirkung zu hundert Prozent.

In der Ukraine, keine Frage, herrschen Willkür, Korruption und Cliquenwirtschaft. Timoschenko ist gewiss auch Opfer des Regimes. Aber daraus folgt nicht, dass sie ein Unschuldslamm ist. Ihr riesiges Vermögen, das sie in der Nach-Sowjet-Zeit als Gas-Monopolistin anhäufte, wirft durchaus Fragen auf. Sie selbst nennt es "Ersparnisse". Aber ein früherer Mentor, der eng in die Geschäfte eingebunden war, sitzt wegen Geldwäsche in den USA im Gefängnis.

Auch die Bevölkerung in der Ukraine hat sich von Timoschenko längst abgewandt. Ihre Beliebtheitswerte liegen nur unwesentlich über denen des Präsidenten. In der Ukraine wie in Polen stößt die plötzliche Empörung im Westen deshalb auf Verwunderung, oft Ablehnung. Vermutlich ist am dortigen Verdacht, dass der Fall allgemeine Stereotype gegenüber Osteuropa wieder aufleben lässt, auch etwas dran. Reihenweise abzusagen taugt daher als Mittel des Protests nur bedingt. Kritik zu üben, aber hinzureisen und Kontakt zu suchen bleibt der bessere Weg.

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)

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