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VW sitzt SAP im Nacken

Archivmeldung vom 17.04.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.04.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Damit hat kaum ein Börsianer gerechnet: Mitte März ist es dem Volkswagen-Konzern tatsächlich gelungen, den Softwareanbieter SAP hinsichtlich des Börsenwerts zu überholen und zum wertvollsten deutschen Unternehmen aufzusteigen. Angesicht der Stellung von SAP als einzigem Softwarekonzern hierzulande, der es mit den großen internationalen Tech-Häusern aufnehmen kann, war die Ablösung durchaus erstaunlich.

Inzwischen liegen die Walldorfer nach guten Zahlen für das erste Quartal sowie einer Prognoseanhebung für das Gesamtjahr 2021 wieder knapp vorn. Die Marktkapitalisierung von SAP beträgt Stand 16. April (Xetra-Schlusskurs) 143 Mrd. Euro, während Volkswagen auf 138 Mrd. Euro kommt. Der Wettstreit um das wertvollste Unternehmen ist also eröffnet. Wobei es bei VW bekanntlich zwei Aktiengattungen gibt: Die nicht im Dax vertretenen Stammaktien, deren Kapitalisierung bei 87 Mrd. Euro liegt, und die im deutschen Leitindex enthaltenen VW-Vorzugsaktien mit einem Börsenwert von 51 Mrd. Euro. Zu den wertvollsten Firmen aus der Bundesrepublik zählen übrigens auch Linde (deren Firmensitz inzwischen aber in Irland liegt), Siemens, Allianz und Daimler mit aktuellen Börsenwerten von 127, 124, 90 und 83 Mrd. Euro.

Doch was sind die Gründe dafür, dass VW an der Börse auf einer Erfolgswelle reitet und nach Marktkapitalisierung zu SAP aufgeschlossen hat? Was erklärt, dass sich der Kurs der VW-Stammaktien seit Anfang Oktober verdoppelt hat und die SAP-Notierung trotz Börsenhausse zurückfiel? Das sind im Grunde zwei Geschichten. Die eine ist, dass SAP im Oktober 2020 mit einer Gewinnwarnung überraschte, welche nicht zuletzt auch auf die Forcierung des zukunftsträchtigen Cloud-Geschäfts zurückzuführen ist. Am Kapitalmarkt waren die Erwartungen an den Softwarekonzern hoch, was zu dem Kursabschlag führte.

VW, wie übrigens die gesamte deutsche Automobilindustrie, galt hingegen lange Zeit als Vertreter der Old Economy, die den Wandel hin zur E-Mobilität verschlafen hat. Viele Investoren sahen allein in Tesla Potenzial, was den Kurs und die Bewertung des US-Konzerns in kaum für möglich gehaltene Höhen getrieben hat. Doch unverhofft kommt oft, vor allem am Kapitalmarkt. "VW war an der Börse im vergangenen Jahr lange Zeit ein Underperformer und hat fundamental drei enttäuschende Quartale hingelegt", erläutert Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. "Darauf folgte zwischen Oktober und Dezember aber eine enorm starke Geschäftsentwicklung." Dass es beim Mehrmarkenkonzern mit Sitz in Wolfsburg brummt, zeigen auch die Absatzzahlen. Gerade hat die Sportwagentochter Porsche gemeldet, dass die Zahl der Auslieferungen im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 36 % gestiegen ist. Und die zyklische Erholung der Weltwirtschaft wird die Umsätze und Gewinne des großen Autobauers in diesem und in den kommenden Jahren weiter befördern.

Darüber hinaus macht VW jetzt auf Tesla, will sich also vom traditionellen Autohersteller in einen softwarefokussierten E-Marktführer verwandeln. So etwas wie Microsoft und SAP also, aber nur für Autos. Mit dem Plan, bis 2030 sechs Fabriken für Batterien in Europa zu errichten, sei der krisengebeutelte VW-Konzern in die Offensive gegangen, meint Marc Decker, Leiter Fondsmanagement bei Merck Finck. Der Umweltsünder von einst entwickle sich vom "Saulus zum Paulus". 2025 könne VW Tesla beim Absatz von E-Autos überholen. Bei den Kursen der deutschen Autobauer sei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht.

Hinzu kommt noch, dass Tesla mit einem Börsenwert von aktuell 583 Mrd. Euro und einem für das Geschäftsjahr 2021 erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 170 extrem teuer ist. Dies hat Hedgefondsmanager bewogen, Tesla zu verkaufen und VW-Aktien zu erwerben. Solche Wetten erscheinen auch jetzt noch lukrativ. Das KGV von VW-Vorzügen für 2021 liegt unter 10, wie übrigens auch das von Daimler. Um günstig in Volkswagen einzusteigen, favo­risieren zahlreiche Analysten auch Vorzugsaktien der Porsche SE. Denn Porsche hält als wesentliche Beteiligung 53,3 % an den VW-Stammaktien, zudem dürften Porsche-Vorzüge im September in den Dax 40 aufsteigen.

Doch wer wird künftig das wertvollste deutsche Unternehmen sein? Gelingt VW die Wende hin zum weltweit führenden Elektroautohersteller, haben die Wolfsburger durchaus Chancen, SAP auf Dauer zu überholen.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)  von Werner Rüppel

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