Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Ladenschlussurteil
Archivmeldung vom 02.12.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittSelbst Gott hat sich, nachdem er die Welt erschaffen hat, einen Ruhetag gegönnt. Nur Menschen wollen - oder sollen - am liebsten rund um die Uhr arbeiten. Angesichts der Herausforderungen, die die Wirtschaftskrise nach sich zieht, sollte man das vielleicht befürworten. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht der unbegrenzten Arbeitszeit in einem kleinen Bereich einen Riegel vorgeschoben - und das zu Recht.
Seit Beginn der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten in den achtziger Jahren hat sich vieles zum Positiven verändert: Die Verbraucher kommen nun auch am Sonntagvormittag in den Genuss frischer Brötchen. Und geht in der Woche am Abend das Salz aus, muss man keine Tankstelle ansteuern, um das Abendessen noch zu retten. Arbeitnehmer, die erst nach 19 Uhr aus dem Büro kommen, müssen keine Gaststätte aufsuchen, um nicht zu verhungern. Und wer ein neues Sofa kaufen will, muss zum Probesitzen keinen Urlaub nehmen: Er kann sich in aller Ruhe samstags bis zu zwölf Stunden im Möbelhaus umsehen. Dörfer und Städte wiederum profitieren von den vier verkaufsoffenen Sonntagen, die in Nordrhein-Westfalen und in ähnlicher Weise in anderen Bundesländern von den Kommunen eingerichtet werden. Da treffen sich die Bürger, da ist mal was los. Verkaufsoffene Sonntage und Aktionen wie Mitternachts-Shopping beleben Kaufhäuser und Fachgeschäfte. Davon profitieren allerdings nur die Aktiven, die die Impulse annehmen. Branchenweit sind die Umsätze in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Positiv auch: Die Liberalisierung hat zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen - zu Zeiten, da Jobsuchende früher vor verschlossenen Toren standen. Auf der Seite des Handels schlagen die Jobs natürlich als Kosten zu Buche. Doch nicht deshalb ist es an der Zeit, einer totalen Freiheit bei den Ladenöffnungszeiten Grenzen zu setzen. Gerade hat uns die Finanzkrise daran erinnert, dass es andere Werte geben muss als den Kommerz. Außer Gott braucht auch der Mensch einen festen Ruhetag, der nicht Beliebigkeit anheim fallen darf. Abgesehen davon, dass der Sonntag bei den Christen in besonderer Weise ausersehen ist, Gott und die Auferstehung seines Sohnes zu feiern, profitieren auch Nichtgläubige davon, dass es einen Tag gibt, an dem man Freunde und Verwandte besucht oder Gleichgesinnte trifft - an dem man gemeinsam nachdenkt oder feiert, jedenfalls Dinge tut, für die während der Woche keine Zeit ist. Seit es mehr als zwei Fernsehsender gibt und seit sogar die Fußball-Bundesliga den Samstagnachmittag als feste Anstoßzeit weitgehend aufgeweicht hat, gibt es nicht mehr viel, was die deutsche Gesellschaft noch in großen Teilen vereinigt. Die Tagesschau sowie sonntagsabends Tatort und Anne Will allein reichen nicht aus. Ora et labora hat der Heilige Benedikt seinem Orden als Regel mitgegeben. Bete und arbeite - alles mit ganzem Herzen und alles zu seiner Zeit.
Quelle: Westfalen-Blatt