Börsen-Zeitung: Neue Börse ohne Börse
Archivmeldung vom 12.01.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Verantwortlichen für die Frankfurter Straßenschilder müssen in zwei Jahren ein kniffliges Problem lösen. Im Stadtteil Hausen wird es nach wie vor eine Neue Börsenstraße geben, aber keine Börse mehr.
Was für die Taxifahrer eine gute Nachricht ist, da die Strecke vom Bahnhof zur "Neuen Börse" dann ein paar Kilometer länger wird, ist für die Stadtverwaltung aber aus ganz anderem Grund ein Ärgernis: Der Wegzug der Deutschen Börse nach Eschborn bedeutet einen schmerzhaften Verlust an Gewerbesteuereinnahmen.
Für den Finanzplatz ist der Umzug fast des gesamten Personals bis zum Jahr 2010 auch eine Überraschung. Gerade erst waren die Befürchtungen, die Deutsche Börse könnte Frankfurt verlassen, nach dem Scheitern der Versuche zur Übernahme der London Stock Exchange und Euronext ad acta gelegt worden, und nun verlässt der Marktbetreiber die Mainmetropole doch. Wirklich gravierend sind die Folgen für den Finanzplatz jedoch nicht. Frankfurt bleibt juristischer Sitz des Unternehmens, und dass der Betrieb ein anderes Gebäude gleich außerhalb der Stadtgrenzen bezieht, bedeutet für die Finanzbranche letztlich keine nennenswerte Veränderung.
Es ist möglich, dass eine Diskussion darüber aufkommen wird, ob die Veränderungen, die das Management einschließlich des im September angekündigten Stellenabbaus beschlossen hat, angesichts der hohen Profitabilität notwendig sind. Werden nicht Arbeitsplätze und Steuereinnahmen vernichtet, nur um raffgierigen Hedgefonds das Geld in den Rachen zu werfen, wird sich mancher fragen.
Über Sinn und Legitimität der umfangreichen Auskehrungen an die mehrheitlich ausländischen Anteilseigner lässt sich streiten. Unabhängig davon ist das Recht der Deutschen Börse unbestreitbar, Möglichkeiten zur Kostensenkung zu nutzen. Der Umzug ist nichts anderes als eine Optimierungsmaßnahme. Dass die Aktionäre, die davon hauptsächlich profitieren, mehrheitlich Ausländer sind, ist nicht der Deutschen Börse anzulasten, sondern Folge der Entscheidung der ehemaligen strategischen Anteilseigner, sich fast komplett von ihren Anteilen zu trennen. Und wenn steuerliche Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass sich der Aufwand lohnt, den sich die Deutsche Börse aufbürdet, dann hat nicht das Unternehmen ein Problem, sondern die Stadt Frankfurt.
Quelle: Börsen-Zeitung