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BERLINER MORGENPOST: Genug Gedenken: Endlich Handeln

Archivmeldung vom 08.03.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.03.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es gibt Menschen, die feiern den Welttoilettentag. Anderen ist das Tanzen, das Knuddeln oder auch die Zahl Pi einen Gedenktag wert. Es gibt einen Welttag der Poesie, der Hauswirtschaft, des Datenschutzes, ja sogar der veganen Ernährung. Auch so ziemlich jede Krankheit und jedes menschliche Organ kann einen eigenen Tag für sich verbuchen: der Kopfschmerz, die Tuberkulose, die Leber, die Niere. Und heute: Heute sind die Frauen dran.

Genau 100 Jahre ist es her, dass die Zweite Internationale Sozialistische Frauenkonferenz auf Vorschlag von Clara Zetkin die Einführung eines jährlichen Frauentags beschloss. Damit hat der Weltfrauentag eine beeindruckend lange Tradition. Doch sie schützt ihn nicht davor, dass ihn so manche(r) schmunzelnd oder achselzuckend abtut. Zugegeben: Gedenktage wirken oft konstruiert und zwanghaft, gerade, wenn sie keinen persönlichen Hintergrund haben wie etwa ein Hochzeitstag. Auf Knopfdruck soll man sich erinnern, demonstrieren, feiern, schenken. Und manchmal muten sie eben auch absurd an. Wozu, um Himmels Willen, sollte man der Toilette gedenken? Des Knuddelns? Der Frauen? Es gibt zwei gute Gründe: Wer ein WC besitzt, ein liebevolles Umfeld und alle Rechte und Chancen dieser Welt, kann den Tag nutzen, dafür dankbar zu sein. Und wer dies alles nicht hat, kann sich dafür einsetzen, dass er - und seine Mitmenschen - es bekommen. So wie die kämpferischen Frauen vor 100 Jahren, die für Gleichberechtigung und das Wahlrecht stritten. Auch hier und heute gibt es noch viele Bereiche, in denen das weibliche Geschlecht benachteiligt ist. Die Diskussion um die Frauenquote hat es gerade wieder vor Augen geführt. Frauen schaffen die besseren Abschlüsse, aber es sind die Männer, die mehr Geld verdienen und die Chefetagen besetzen. Der Weltfrauentag ist eine Gelegenheit, auf solche Ungleichgewichte aufmerksam zu machen, die nicht zuletzt ökonomisch nachteilig sind. So nimmt der Deutsche Gewerkschaftsbund den Weltfrauentag zum Anlass, Lohngerechtigkeit anzumahnen. Der Deutsche Städtetag fordert, die Zahl der Frauen in Führungspositionen zu erhöhen. Die Nationale Armutskonferenz macht zum 8. März darauf aufmerksam, dass Frauen überproportional von Armut betroffen sind, während die Deutsche Vermögensberatung dafür wirbt, dass Frauen ihre Versorgungslücken schließen. Auch wenn nicht alle Forderungen uneigennützig sind: Sie haben einen unanfechtbar ernsten Hintergrund. Das gilt auch für die Aufrufe, die international tätige Verbände und Organisationen zum Weltfrauentag starten. Etwa das katholische Hilfswerk Misereor, das die hohe Müttersterblichkeit in Entwicklungsländern und die menschenrechtsverletzende Genitalverstümmelung anprangert, oder die Hilfsorganisation Care, die mehr Initiativen gegen sexuelle Gewalt fordert. Ein Gedenktag erfüllt seinen Zweck, wenn viele Menschen versuchen, ihn mit Inhalt zu füllen. Dann mag er zwar immer noch verordnet sein, aber er ist dann nicht mehr albern oder überflüssig, sondern nützlich. Das gleiche gilt für Quoten. Her also mit dir, Frauenquote. Es ist genug des Ge-Denkens und Be-Denkens: Jetzt darf gehandelt und die Quote gewagt werden. Und: Weiter so mit dir, Weltfrauentag. Denn mal ehrlich: Manchmal ist er einfach gut, so ein Anstoß von außen.

Quelle: BERLINER MORGENPOST

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