Börsen-Zeitung: Alptraum der Fondsbranche
Archivmeldung vom 23.12.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.12.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittManche Ereignisse sind so gruselig, dass sie nur in Alpträumen vorkommen dürften. Dass Fonds, die offenbar in den betrügerischen US-Anlagemanager Bernard Madoff investierten, in Dutzenden deutscher Dachfonds auftauchen, ist für die Fondsbranche ein solches Ereignis - und leider Realität.
Es ist freilich nicht so, dass Anlegern dramatische Verluste drohen. Die meisten betroffenen Dachfonds investierten zwischen 1% und 20% ihrer Assets in "Thema International Fund" und "Herald (LUX) US Absolute Return", hinter denen Madoff stehen soll. Zu den Opfern zählen überwiegend Fonds kleinerer Vermögensverwalter. Große Adressen stehen kaum beschadet da. Falls sich der Betrugsverdacht erhärtet, stehen die Chancen recht gut, dass Fonds Schadenersatz von HSBC, der Depotbank von "Thema" und "Herald", erhalten. Wer Aktienfonds kaufte und 50% Verlust 2008 realisierte, hat also mehr Grund zum Jammern.
Dass die Angelegenheit dennoch ein flaues Gefühl verursacht, liegt daran, dass man sich fragen muss, wie ein Bernard Madoff alle Kontrollinstanzen der streng regulierten europäischen Publikumsfonds umgehen konnte. Lagerte die HSBC Kontrollaufgaben an Madoffs Unternehmen aus? Darüber wird spekuliert; bewiesen ist nichts. Welche Rolle spielte die Bank Medici, die offizielle Anlagemanagerin von "Thema" und "Herald"? Wo waren Verwaltungsräte und Wirtschaftsprüfer?
Man fragt sich auch, ob die Dachfondsmanager qualifiziert genug waren, um Zielfonds mit Hedgefonds-ähnlichen Strategien, wie es "Thema" und "Herald" waren, zu analysieren. Oft handelte es sich um kleine Vermögensverwalter und Fondsmakler-Pools, die Dachfonds aufgelegt hatten, um 2008 vom Jahresendgeschäft vor Einführung der Abgeltungsteuer zu profitieren. Die stabilen Renditen der strittigen Fonds von knapp 10% wirkten verlockend angesichts der Kapitalmarktturbulenzen. Dass sie ein bisschen zu "schön" waren, weil anscheinend Betrug dahintersteckte, irritierte zu wenig.
Sobald die Behörden Licht in den Kriminalfall Madoff gebracht haben, muss die Fondsbranche ihre Kontrollmechanismen und Investmentprozesse prüfen. Sie muss bei Experimenten mit neuartigen Produkten vorsichtiger sein - selbst wenn es mal Rendite kostet. Das Gruseln beim Gedanken an 2008 wird bleiben.
Quelle: Börsen-Zeitung (von Stefanie Schulte)