Lausitzer Rundschau: Verhandlungen über die Zukunft des Kosovo
Archivmeldung vom 15.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAls 1992 eines der ersten Bücher in deutscher Sprache erschien, das sich angesichts des jugoslawischen Desasters mit dem Konflikt um die südserbische Unruheprovinz befasste, trug es den Titel: "Kosovo: gordischer Knoten des Balkan". Das war sieben Jahre, bevor die Nato einen Krieg wegen des zu 90 Prozent von Albanern besiedelten Gebietes führte.
Doch wollte man heute, im Jahr
2007, ein neues Buch über das Kosovo schreiben - der Titel könnte
derselbe sein. Die Internationale Gemeinschaft musste einmal mehr
erkennen, dass es einfacher ist, Kriege zu gewinnen als den Frieden:
Acht Jahre Verwaltung durch die Vereinten Nationen, so die bittere
Erkenntnis, haben den Grundkonflikt einer Lösung keinen Schritt näher
gebracht. Die albanische Bevölkerungsmehrheit auf der einen Seite
leitet ihren Anspruch aus der heutigen Siedlungsstruktur her, pocht
auf ihr Selbstbestimmungsrecht und empfindet einen Verbleib in
Serbien nach den Gräueln der Milosevic-Ära als unzumutbar. Auf der
anderen Seite gilt das Kosovo den Serben - unter Verweis auf ihre
dort liegenden kulturellen und religiösen Wurzeln - bis heute als
konstituierender Bestandteil des eigenen Staatswesens. Eine
Unabhängigkeit des Kosovo ist für Belgrad deshalb nicht diskutabel.
Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlich unvereinbaren Standpunkte
hatte der Anfang des Jahres vorgelegte Plan des UN-Sondervermittlers
Martti Ahtisaari keine Chance. Zwar vermied der Finne in seinem
Vorschlag penibel das Wort "Unabhängigkeit". Klar war aber, dass eine
Umsetzung - trotz aller Einschränkungen - am Ende auf die
Souveränität des Kosovo hinauslaufen würde. Kein Wunder, dass der
Plan bei den Albanern eher auf Zustimmung, bei den Serben dagegen auf
strikte Ablehnung stieß. Derzeit wird erneut ein Versuch unternommen
- der letzte, wie es heißt - doch noch einen Kompromiss zu finden,
mit dem beide Konfliktparteien leben können. Die Zeit drängt:
Besonders die jungen Albaner werden unruhig, sehen sie doch den
ungeklärten Status der Provinz als Ursache für fehlende Investitionen
und die damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit. Dass diese
Unzufriedenheit in Gewalt umschlagen könnte, ist eine Sorge, die auch
den deutschen Diplomaten Wolfgang Ischinger umtreiben dürfte, der im
EU-Auftrag gemeinsam mit Vertretern Russlands und der USA die
Verhandlungen führt. Seine jüngste Erklärung, auch eine Teilung der
Provinz sei denkbar, mutet wie der Versuch an, den gordischen Knoten
Kosovo wie einst Alexander der Große einfach mit dem Schwert entzwei
zu schlagen, anstatt ihn mühsam aufzulösen. Eine Teilung entlang
ethnischer Linien wäre zwar eine Lösung - aber die denkbar
Schlechteste, wäre doch in der Folge eine Destabilisierung des
benachbarten Mazedoniens mit seiner großen albanischen Minderheit und
des multi-ethnischen Bosnien-Herzegowinas zu befürchten. Ein
Hoffnungsschimmer könnte dagegen die von EU-Chef-Außenpolitiker
Javier Solana lancierte Idee einer Konföderation zwischen Serbien und
Kosovo sein. Auch ein solcher Staatenbund mit gemeinsamen
Institutionen, der als unauflöslich angelegt sein müsste, würde
zunächst Widerstand hervorrufen. Verbunden mit einer klaren
Perspektive auf einen EU-Beitritt aber - und zwar nur in dieser
Konstellation - wäre ein solcher Plan möglicherweise attraktiv genug,
um Serben und Albaner von ihren Maximalforderungen abrücken zu
lassen. Es bleibt nur die Frage, ob die Europäer - in Zeiten, in
denen zusätzliche Erweiterungsrunden der EU höchst kritisch
diskutiert werden - bereit sind, eine solche Perspektive zu bieten.
Wollen sie der Verantwortung für das Kosovo, die sie mit dem
Waffengang von 1999 übernommen haben, gerecht werden, müssen sie es
tun.
Quelle: Pressemitteilung Lausitzer Rundschau