Westdeutsche Zeitung: Bahn-Privatisierung
Archivmeldung vom 09.05.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Bahnkunde ist Kummer gewöhnt, deshalb haben schlechte Nachrichten über das größte Verkehrsunternehmen per se eine große Glaubwürdigkeit. Denn in den vergangenen Jahren konnte jeder, der es sehen wollte, beobachten, wie viele Bahnhöfe verfielen, Züge vergammelten und Strecken geschlossen wurden.
Zumindest im Westen. Die Milliardenprojekte in Berlin und Leipzig bilden die berühmten Ausnahmen. Der große Rest aber musste leiden - alles hatte sich dem Börsengang unterzuordnen, der Profit musste stimmen. Nun soll alles besser werden, verspricht die Große Koalition in Berlin und verweist auf die Zusagen, mindestens ein Drittel des Privatisierungserlöses in Investitionen und Sanierungsmaßnahmen zu stecken. Das dürften nach Lage der Dinge rund zwei Milliarden Euro sein. Das klingt nach viel Geld, relativiert sich aber angesichts des gewaltigen Sanierungsstaus alleine bei den Bahnhöfen. Er wird bundesweit auf mindestens 20 Milliarden Euro geschätzt. Alleine entlang der Strecke Düsseldorf-Wuppertal-Hagen-Dortmund sind viele Millionen Euro notwendig, um aus trostlosen Haltestellen wieder ansehnliche Bahnhöfe zu machen. Die Politik ist also gefordert, den Börsengang an feste Bedingungen zu knüpfen. Die Zweckbindung des Erlöses reicht nicht, es muss ein dauerhaftes Investitionsprogramm vereinbart werden. Und hier ist die Landesregierung ebenso wie die SPD, die in Berlin mitregiert, in der Pflicht, möglichst viel für Nordrhein-Westfalen herauszuholen. Was bisher bekannt ist, reicht jedenfalls bei weitem nicht aus. Der Ballungsraum Rhein-Ruhr wartet schon seit Jahrzehnten auf eine schnelle Metropolenverbindung mit einer hohen Taktdichte. Der Logistik-Standort Duisburg boomt zwar - aber nur wegen der Verkehrsträger Schiff und Lkw. Eine leistungsfähige Schienenanbindung an die holländischen Hafenstädte ist noch nicht in Sicht. Noch ist Zeit, nachzuverhandeln. Bei der Privatisierung der Bahn geht es um Volksvermögen. Wer es versilbert, muss sicherstellen, dass der Rest leistungsfähig bleibt. Oder er muss sich den Vorwurf gefallen lassen, er verschleudert Milliardenwerte im Namen des Volkes.
Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Frank Uferkamp)